Donnerstag, März 17, 2011

Riga 16.03.2011

Wie bereits im Artikel von Maksim Reva angekündigt, fand am 16.03 wieder der alljährliche Marsch der Veteranen der lettischen Waffen-SS und ihrer Anhänger durch den Rigaer Zentrum statt. Teilgenommen haben nach Einschätzung der Polizei 2500-3000 Menschen, wohl etwas mehr, als in Jahren zuvor. Man sieht auf den Photos viele junge Menschen, es wurden auch Kinderwägen gesichtet, es kann also nie früh genug mit der rechten Erziehung begonnen werden.

Wie schon in Jahren zuvor gab es Schwarze Listen, auf denen die Namen von Personen standen, die während der Märsche nicht nach Lettland einreisen dürfen, da man von ihnen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erwartet. Es betrifft wiedermal nur die Gegenseite, bei dem Marsch wehten viele estnische und litauische Fahnen, diese Gäste sind also willkommen. Leichte Hoffnung auf die Einstellung dieser Praxis weckt der Fall Johan Bäckman, finnischer Staatsbürger, dem die Einreise nach Estland am 9.Mai untersagt wurde, mit der Begründung er könne einen Staatsumsturz planen. Er hat den estnischen Staat verklagt und vom estnischen Gericht Recht bekommen. Diesmal waren die Grenzbeamten und die Polizei fest entschlossen, keine ausländischen Antifaschisten zu den Protesten zuzulassen. Maksim Reva konnte zwar problemlos einreisen, wurde aber vom der Immigrationsbehörde am 15.03 verhaftet, zum jetzigen Zeitpunkt ist immer noch nicht klar wo er ist. Der Vorsitzende von Notchnoj Dozor Sergej Tchaulin, drei andere Mitglieder der Organisation und die Journalistin und Filmproduzentin Julia Maspanova wurden an der Grenze angehalten. Bereits in Tallinn und in Pärnu observiert wurde Dmitirj Linter, der auch nicht weit gekommen ist. Wie lettischen Aktivisten berichten, wurden sie in einem Cafe von der Polizei festgesetzt mit der Androhung der sofortigen Festnahme, sobald sie den Versuch unternehmen, aus dem Cafe rauszugehen.

Nichtdestotrotz wurden ca. 100 Gegendemostranten gezählt. Die Art der Proteste hat eine gewisse Vewunderung ausgelöst, warum müssen abgehackte Schweineköpfe hochgehalten werden? Was symbolisieren sie eigentlich?

Der Marsch der Veteranen wurde von einem Polizeikordon abgeschirmt. Es nahmen auch Mitglieder des Parlaments daran teil.

Hier einige Photos:





Polizeiabsperrung während des Marsches





Manche Balten sind willkommen, andere dagagen nicht



Viele Veteranen sind über 90, aber der Nachwuchs kommt auch schon





Am Ende des Marsches werden Blumen an den Freiheitsdenmal abgelegt





Das sind die Gegendemonstranten





Was die abgehackten Schweineköpfe mit Galgenstrick im Mund symbolisieren sollen ist mir nicht wirklich klar.

Mittwoch, März 16, 2011

Maksim Reva festgenommen!

Bericht von baltija.eu

Am Dienstag, dem 15.03 um 16.00 wurde am Ausgang des Offices des Lettischen Antifaschistischen Kommittees der Mitglied des NGO "Welt ohne Faschismus", Aktivist der Organisation "Notchnoj Dozor" Maksim Reva von der Immigrationspolizei festgenommen und an unbekannten Ort weggefahren.

Maksim Reva, der ständiger Einwohner der Europäischen Union ist, reiste legal am 10. März nach Riga ein. Die Immigrationsbehörde hat keine Erklärungen geliefert.

Wie der Vorsitzender des Lettischen Antifaschistischen Kommittees (LAK) Josef Koren der Redaktion von Baltija mitteilte, ist das einzige was er vermutet, dass Lettland wieder den Zugang ins Land für die Antifaschisten zuschliesst, um dem nazistischen Marsch den Weg freizumachen.

Zur Erinnerung, am 16. März wird in Riga ein traditioneller Marsch der Veteranen der Waffen-SS und ihrer Anhänger stattfinden. LAK registrierte für diese Zeit eine Gegenaktion. Die NGO "Notschnoj Dozor" aus Estland möchte die lettischen Antifaschisten unterstützen. Der Vorsitzender des "Notschnoj Dozor" Sergej Tschaulin woll die Namen und die Anzahl der nach Riga fahrenden Teilnehmer nicht nennen, doch sagte er, dass die Delegation weniger als 100 Leute sein werden.
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Ich habe mit Maksim gestern abend telefoniert. Er war in dem Office von LAK und wollte morgen den Marsch der Veteranen der Waffen-SS beobachten. Seitdem habe ich von ihm nichts mehr gehört.

Gestern hat übrigens Johan Bäckman ein Gerichtsverfahren gegen Estland gewonnen, weil estnische Behörden ihm auf ähnliche Art und Weise die Einreise nach Estland verboten haben. Das Gericht hat die Verbote, die von zwei estnischen Innenministern unterzeichnet wurden für illegal erklärt.
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Was kann man in Deutschland tun, um gegen die Verhaftung von Maksim Reva durch lettische Behörden zu protestieren? Es gibt zum Beispiel die lettische Botschaft, an die mal E-Mail (embassy.germany@mfa.gov.lv) oder Fax (+49 (0) 30 826 002 33) schicken kann, und damit gegen den Marsch der Waffen-SS und Einreiseverbote für Antifaschisten Einspruch erheben.

Ich habe folgende Email an die Botschaft geschickt und fordere jeden auf, eine ähnliche Mail zu schicken:

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Botschafter,

hiermit protestiere ich gegen die Verhaftung von Maksim Reva, die am 15.03 in Riga von Beamten der Einwanderungsbehörde durchgeführt wurde. Der jetzige Aufenthaltsort von Herr Reva ist unbekannt.

Herr Reva ist völlig legal nach Lettland eingereist. Er befand sich dort, um sich ein Bild von dem Aufmarsch der Veteranen der Waffen-SS und ihren Angehängern zu machen, was für sich alleine ein unerträgliches Bild von Lettland in der Europäischen Union zeichnet. Schlimmer noch, jedes Jahr werden vom Innenministerium Schwarze Listen erstellt, auf denen Personen verzeichnet sind, denen die Einreise nach Lettland verboten ist. Zur Erinnerung, Lettland befindet sich in der Europäischen Union und ist ein Teil der Schengen-Zone, es gibt also keinen Grund, Bürgern aus benachbarten Ländern, die ebenfalls zur Schengen-Zone gehören, die Einreise zu verweigern. Gestern hat der finnische Staatsbürger Johan Bäckman ein ähnliches Verfahren gegen Estland gewonnen, die estnischen Behörden haben ihm ebenfalls die Einreise verweigert, doch die estnischen Gerichte haben den Reiseverbot als illegal eingestuft und Herr Bäckman Schadensersatz zugesprochen, ähnliches kann auch Lettland passieren.

Deswegen protestiere ich schärfstens gegen die Inhaftierung von Maksim Reva. Er ist in der Vergangenheit nicht durch Gewalt aufgefallen und hatte nicht vor Gesetze zu brechen. Deswegen gibt es keinen Grund ihm die Einreise zu verweigern, oder ihn jetzt festzunehmen. Ebenso protestiere ich gegen die Existenz von Schwarzen Listen, die gegen das Schengen-Abkommen verstossen. Und ebenfalls protestiere ich gegen den Marsch der Veteranen der Waffen-SS, der auf dem Boden eines Staates der Europäischen Union nichts zu suchen hat.

Ich fordere sofortige Freilassung von Maksim Reva.

Mit freundlichen Grüßen,

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Update 16.03 7:52

Laut dem Bericht des Portals baltijalv.lv werden sämtliche Grenzschützer Lettlands an die estnische Grenze zusammengezogen und überwachen jeden Feldweg, damit Mitglieder des "Notchnoj Dozor" die Grenze nicht überqueren können. Der Wagen mit dem Voritzenden des "Notchnoj Dozor" Sergej Tschaulin wurde in der Nähe des Dorfes Pede angehalten. Neben Sergej dürfen auch die Filmprozentin Julia Maspanova und Aktivisten von "Notchnoj Dozor" Aleksander Pikalov, Andrej Gontscharov und Andrej Andronov nicht nach Lettland einreisen. Es ist immer noch unklar wo sich der gestern festgenommene Maksim Reva befindet.

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Update 16.03 9:10

Laut Baltija.eu wurde auch Dmitrij Linter, Aktivist von "Notchnoj Dozor" und Mitglied der NGO "Welt ohne Nazismus" nach vorherigen Observierung durch estnische Polizei an der lettischen Grenze festgenommen.

Samstag, März 12, 2011

11.03.2011 in Vilnius

Wie bereits angekündigt fand am 11. März in Vilnius ein Marsch der litauischen Nationalisten statt. Eine ausführliche Reportage und Analyse wird es später geben, erstmal eine Bildergalerie (von DELFI)



Recht eindeutiges Publikum



Symbole des Nationalsozialismus sind offiziel genauso wie Sowjetsymbole verboten, die Swastika als altbaltisches Symbol aber erlaubt



Litauische Nationale Jugend Union



hat wohl gute Beziehungen zu den deutschen nationalen Jugendorganisationen



Der Mann rechts ist Maik Müller von der NPD in Dresden



"Litauen den Litauern" steht auf dem Transparent, wer die abgebildeten Leute sind, weiss ich leider nicht



Dafür sind die den Transparent tragende Leute recht einfach zuzuordnen



Es waren mehr als 500 Teilnehmer,



die lautstark "Litauen den Litauern" skandierten, das offizielle Motto der Veranstaltung



Ein besonders präsentes Individuum



Und noch einer



Gegenproteste gab es auch,



die in Scharmützeln endeten,



weil einige Demonstranten sich provoziert fühlten und es war ihre Weise zum Ausdruck brachten



Diese junge Leute



waren Vertreter sexuellen Minderheiten, die sich mit den Vertretern der nationalen Minderheiten solidarisch erklärten



Einsame Sitzblockade,



die von der Polizei aufgefordert wurde an den Rand zu gehen, um den Marsch nicht zu blockieren



Und noch ein paar Gegendemonstranten

Dienstag, März 08, 2011

Revanche des baltischen Neonazismus

Folgender Beitrag hat Maksim Reva geschrieben, ehemaliger Vorstand von Notchnoj Dozor, wegen des Verdachts der Anstiftung zu Massenunruhen bei der Demontage des Denkmals den Soldaten der Roten Armee in April 2007 vom estnischen Staat angeklagt und freigesprochen. Maksim ist Mitglied des Rates zum Schutz der russischen Schulen in Estland und Mitglied des Interimrates der Bewegung "Die Welt ohne Nazismus"

Nach dem Zerfall der Sowjetunion erfüllte sich die in der Sowjetzeit erzogene baltische nationale Elite ihr Traum über eigenständige Verwaltung ihrer Staaten. Im Westen haben die nationalen Führer Estlands, Lettlands und Litauens ihre Verbundenheit zur Demokratie und europäischen Werten bekräftigt. Doch in ihren eigenen Staaten fingen sie an ethnokratische Regimes aufzubauen, die das Erwachen des Nationalismus und Xenophobie ermöglichten.

Zur Unterstützung der Politik der ethnischen Segregation, als Bekräftigung der Wegnahme der bürgerlichen Rechte von den Vertretern der nationalen Minderheiten, die hauptsächlich Russen sind, wurde die Politik des Geschichtsrevisionismus durchgeführt. Als Ergebnis dieser Politik wurde eine neue baltische Geschichte des 20. Jahrhunderts ausgedacht.

Laut den offiziellen Historikern Estlands, Lettlands und Litauens haben die baltischen Staaten gegen die Sowjetunion, also gegen die Antihitlerkoalition, doch für die Freiheit gekämpft. In den höchsten gesellschaftlichen Kreisen fing man an die Leute, die auf der Seite des Hitler-Deutschlands als Mitglieder der Waffen-SS, in polizeilichen Bataillons an dem Genozid der zivilen Bevölkerung teilgenommen haben, als Helden der Befreiungskriege zu bezeichnen und sie mit höchsten staatlichen Ehrenabzeichen für Tapferkeit im Kampf auszuzeichnen.

Am 24. Februar diesen Jahres, zur Feier des Unabhängigkeit, hat der estnische Präsident Toomas Ilves noch zwei der sogenannten Freiheitskämpfer mit staatlichen Ehrenabzeichen der Estnischen Republik ausgezeichnet. Im letzten Jahr wurden noch fünf ehemalige Waffen-SS Leute, Wald-Brüder, von denen manche wegen Raub und Aufbewahrung geraubten Eigentums verurteilt wurden, mit dieser Ehre bedacht.

Am 11. März am Tag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens wird eine Demonstration stattfinden, die vom Litauischen Nationalen Zentrum organisiert wird. Bei der Demonstration werden 500-1000 Teilnehmer erwartet. Laut dem Vorsitzenden der Bewegung "Litauen ohne Nazismus" haben an ähnlichen Demonstrationen Skinheads, Neonazis und radikalen Nationalisten teilgenommen. Wie man dem Interview des Mitgliedes des Rates des Litauischen Nationalen Zentrums Julius Pankа entnehmen darf, werden während der Demonstration nationalistische und neonazistische Losungen verbreitet. Vor einem Jahr hat die Demonstration auf dem Gebiet des alten jüdischen Friedhofes stattgefunden, was Proteste seitens der jüdischen Gemeinde von Vilnius hervorgerufen hat.
Am 16. März wird in Riga der schon traditionelle Marsch der ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS und ihrer jungen Verehrer stattfinden, der der ersten Kampftaufe der lettischen Legion der Waffen-SS gewidmet ist. Das wird schon der 13. alljährlicher Marsch der Neonazisten sein, der in der Hauptstadt des Mitgliedstaates der EU stattfindet. Der Stadtrat von Riga verbietet schon das dritte Jahr die Durchführung solcher Märsche, die letzten zwei Jahre wurde sie zusammen mit dem antifaschistischen Gegenveranstaltungen verboten. Die lettischen Politiker wollen damit zeigen, dass sie nicht die Gesellschaft von Neonazisten schützen wollen. Sie verstecken sich hinter der Angst vor Massenunruhen und stellen Antifaschisten und die, gegen die sie kämpfen auf einen Level. Dabei wissen sie genau, dass der Gericht sowohl den Marsch der Neonazisten, als auch die antifaschistische Gegenveranstaltung erlauben wird.

Die lettische Polizei und Sondereinsatzkräfte schützen mit zwei Kordonen den Marsch der Neonazisten. Gleichzeitig nimmt man die protestierenden Antifaschisten fest, ihre Forderungen die Personen, die neonazistischen Losungen rufen, festzunehmen, werden ignoriert. Letztes Jahr hat der bekannte Nazijäger Ephraim Zuroff den Marsch beobachtet, als man ihn erkannte, haben die Neonazisten angefangen antisemitische Losungen zu rufen. Die Polizei hat darauf nicht reagiert. Das lettische Innenministerium behindert die Arbeit der europäischen antifaschistischen Organisationen. Am 16. März ist es den Antifaschisten verboten nach Lettland einzureisen, sie werden von Immigrationsbehörde und Grenzschützern gejagt.
Die baltischen Eliten möchten auch nicht den Neonazismus in ihren Ländern bekämpfen. Der Präsident Lettlands Valdis Zatler rief die Bevölkerung auf, den 16. März im Familienkreis zu feiern. Er rief also auf das Datum des Anfangs der Kampfhandlungen gegen die Armeen der Antihitlerkoalition zu feiern, obwohl laut den europäischen Werten, Verbundenheit mit denen er dauernd behauptet, er diejenigen verurteilen sollte, die am 16. März 1944 den Nazismus verteidigt haben.

In Ländern Baltikums, die Mitglieder der EU und der NATO sind, wird der politische Revisionismus belohnt. Die patriotische Erziehung der Jugend erfolgt an Beispielen der Helden, die Eiserne Kreuze in Abteilungen der Waffen-SS bekommen haben. Aus den Geschichtslehrbüchern kann man erfahren, dass 1944 die Armeen der Waffen-SS Befreiungskriege auf dem baltischen Territorium geführt haben.

Neonazistische Revanche entwickelt sich in baltischen Ländern, Mitgliedern der EU. Über diese Revanche wissen die westeuropäischen Politiker ausgezeichnet, doch schweigen sie aus irgendwelchen Gründen. Man könnte meinen, dass sie mit der historischen Auslegung der Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges einverstanden sind, die der Gesellschaft durch die baltischen politischen Eliten eingeflösst werden. Es ist furchtbar sich vorzustellen, was passieren würde, wenn der deutsche Präsident am Tag der Deutschen Einheit ehemalige SS-Kämpfer mit Eisernen Kreuzen auszeichnet und am Tag des Falles der Bastille in Paris am Champs-Élysées ein Marsch der Vichy-Anhänger durchgeht und an Grab von Pétain Blumen gelegt werden.
Maxim Reva

Die Bilder der letzjährigen Aufmärsche gibt es hier

Montag, März 07, 2011

Parlamentswahlen in Estland

Am gestrigen Sonntag gingen die Parlamentswahlen in Estland zu Ende. "Gingen zu Ende" und nicht "haben stattgefunden" wähle ich bewusst, weil die elektronische Stimmabgabe über einen viel längeren Zeitraum möglich war und auch rege genutzt wurde. Von 912.000 wahlberechtigten Bürger, haben ca. 140.000 elektronisch ihre Stimme abgegeben. Doch dazu später mehr.

Wie von mir schon im Dezember vorhergesagt, hat sich an der Regierungskonstelation wenig geändert. Estland hat nun nur noch vier Parteien im Parlament, die Reformpartei bekam 28,6% (+0,8%) der Stimmen und zwei Sitze mehr, Zentrumspartei 23,3% (-2,8%) und drei Sitze weniger, die Heimatpartei IRL 20,5% (+2,6%) und 4 Sitze mehr, die Sozialdemokraten 17,1% (+6,5%) und 9 Sitze mehr. Die Grünen und die Volkspartei sind im Parlament nicht mehr vertreten. Die derzeitige Regierungskoalition verfügt über eine stabile Mehrheit von 56 von 101 Sitzen.

Die Wahlbeteiligung lag bei ca. 63,61%. Die höchste Wahlbeteilugung war in Tallinner Stadtbezirken Mustamäe und Nõmme mit 72,79%, die niedrigste im nord-östlichen Ida-Virumaa mit 56,13%.

Der Politiker für den die meisten Stimmen abgegeben wurden ist der Vorsitzende der Zentrumspartei Edgar Savisaar, der 23 012 Stimmen bekam, danach kommt der jetzige Premierminister Andrus Ansip mit 18 981 Stimmen.

Die Russische Partei, die viele unabhängige Kandidaten in der Wahlliste hatte, bekam 0,9% der Stimmen.

Nach all diesen nakten Zahlen Versuch einer Analyse. Der Trumpf der Reformpartei war natürlich die erfolgreiche Einführung des Euro. Alleine schon die Tatsache, dass die anderen baltischen Republiken voraussichtlich 2014-2015 soweit sein werden, schmeichelte dem estnischen Selbstvewusstsein, so dass vergessen wurde, welche Opfer dazu in Zeiten der Krise notwendig wurden. Doch war die Zentrumspartei in den Umfragen führend, deswegen wurde die alte Keule der Angst vor Russland geschwungen. Im Dezember meldete die KaPo, dass Edgar Savisaar sich mit Vladimir Yakunin, dem Minister für den russischen Eisenbahnverkehr getroffen habe und ihn um Parteispende für den Wahlkampf bat. Die Wahlkampfspende sollte als Spende für die Errichtung einer orthodoxen Kirche getarnt werden. Die Beweise für diese Behauptung liegen immer noch nicht vor, aber der politische Schaden war immens. Präsident Ilves erklärte, dass er keine Regierung vereidigen werde, der Savisaar angehört. Die Sozialdemokraten verliessen die Regierungskoalition im Stadtrat von Tallinn. Die Reformpartei hat erklärt, dass sie niemals mit den Zentristen koalieren wird, solange Savisaar die Partei führt. Savisaar nahm nichts zurück, sondern traf Yakunin bei der Einweihung der Kirche in Lasnamäe. Dies alles brachte ihm die Unterstützung der russischen Wähler und die meisten Stimmen in seinem Wahlbezirk, doch darf man nicht vergessen, dass bei den Parlamentswahlen nur estnische Staatsbürger wählen dürfen, also alle Staatenlosen und russischen Staatsbürger gar nicht für Savisaar stimmen können. Trotz der Verluste bei den Wahlen zeigt Savisaar, dass er das Zugpferd der Zentrumspartei ist und ihn niemand so schnell ersetzen dürfte, höchstens aus Altersgründen könnte er sich bei den nächsten Wahlen zurückziehen.

Das bemerkenswerte Abschneiden von Sozialdemokraten ist auf die Wahl des neuen Vorsitzenden Sven Miksers zurückzuführen, der damit die Partei wieder populär machte. Es ist noch nicht ganz klar, welche Richtung die Sozialdemokratie in Estland nach der Wahl nehmen wird, bis jetzt war ausser dem Namen in der Politik der Partei wenig Sozialdemokratie zu erkennen gewesen, zumindest in dem westeuropäischen Verständnis dieses Wortes.

Gerüchten zufolge wird das Regierungskabinett umgebildet. Es ist nicht klar, ob der Vorsitzende der IRL Mart Laar der Regierung angehören wird, er könnte Aussenminister werden. Ebenso sagt die Gerüchteküche, dass der ehemalige Rektor Jaak Aaviksoo, der bisherige Minister für Verteidigung, Bildungsminister werden könnte, Marko Mihkelson könnte Minister für Verteidigung werden.

Aus der Sicht der russischen Bevölkerung in Estland ist die Fortsetzung der jetzigen Regierungspolitik eine Katastrophe. Tõnis Lukas, der bisherige Bildungsminister erklärte, dass sein Ziel es sei dass keine Bildung mehr auf russisch angeboten wird. Jetzt hat er bzw seine Partei 4 Jahre mehr Zeit diesem Ziel näherzukommen. Falls Mihkelson Verteidigungsminister wird, lenkt damit ein Mann die estnische Armee, dessen russophoben Ansichten in jeder seiner Aussagen hervorgehoben werden. Eine Verbesserung der Beziehung mit Russland und der Lage der russischen Bevölkerung ist da wenig wahrscheinlich.

Das Scheitern der ethnischen Russischen Partei mit Klenskij an der Spitze hat mehrere Gründe. Erstens wurde mir kein Programm bekannt, es war ein Personenwahlkampf, der gegen die bekannten Politiker der Zentrumspartei kaum zu gewinnen war. Zweitens hat die Partei hauptsächlich im Internet von sich reden gemacht, hauptsächlich durch Veröffentlichung von elendlangen Artikeln von Klenskij, der wahrscheinlich ein guter Kolumnist in einer Zeitung wäre, doch im Internet schaltet selbst ein wohlwollender Leser nach dem zweiten Paragrafen ab und liest nicht weiter. Ich wage die Behauptung, dass unter den russisch-sprechenden Wählern die Internet-Verbreitung nicht sehr hoch ist. Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der elektronischen Stimmabgabe war die Zentrumspartei abgeschlagen auf dem vierten Platz, erst nach der Auszählung aller Stimmen kletterte sie auf den zweiten Platz. Da die Wähler der Russischen Partei und der Zentrumspartei ähnlich sein dürften, zeigt es sich, dass die Wähler dieser Parteien weniger internetaffin sind.

Noch eine Anmerkung zu der Internet-Wahl. DZD, berichtet über eine Frau die elektronisch 553 Mal ihre Stimme abgegeben hat (wobei natürlich nur die letztabgegebene gezählt wurde). Daraufhin hat der Leiter der Wahlkomission sie angerufen und sie darauf hingewiesen. Ich dachte eigentlich, dass die Wahlen auch elektronische geheim sein sollten?