Montag, Dezember 27, 2010

Das war 2010

Wieder ist ein Jahr vorbei, es ist Zeit kurzen Rückblick zu machen und in die Zukunft zu schauen.

Dieses Jahr ist geprägt von widersprüchlichen Meldungen über den Wirtschaftswachstum in Estland, einerseits erfüllte man die Euro-Beitrittskriterien, andererseits ist die Arbeitslosigkeit auf dem Rekordlevel. Estland wird nächstes Jahr der Euro-Gemeinschaft beitreten, verletzt andererseits schon jetzt die Inflationschranke. Der Euro hat momentan nicht den besten Ruf, sondern selbst in Deutschland wird heisse Diskussion geführt, ob man nicht lieber zurück zur DM zurückkehren sollte. Entsprechend heiss sind auch die Diskussionen in Estland, ob der Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt sinnvoll ist.

Die russisch-sprachige Gemeinde Estlands erlebte die Spaltung von Notchnoj Dozor. Der Bruch war schon länger abzusehen, Maxim Reva und Dmitrij Linter haben international gedacht, hatten Kontakte mit russischen Politikern, lettischen AntiFa und sind Mitglieder der Organization "Welt ohne Nazismus". Die andere Gruppe um Larissa Naschadimova konzentrierte sich eher auf innerestnische Themen. Die Gruppe um Larissa gründete eine neue Organizastion "Vmeste" (Zusammen), die aber bisher nicht sonderlich aufgefallen ist, wer ausser Dmitrij und Maxim noch Mitglied von Notchnoj Dozor ist, weiss man nicht so genau.

Ende Juli kam Estland international in die Schlagzeilen, als das jährliche Treffen der Veteranen der Waffen-SS in Sinimäe stattgefunden hat. Doch dieses Jahr war das ein Grund für "Welt ohne Nazismus" sich zu präsentieren, dementsprechend viele Stellungsnahmen aus aller Welt gab es zu diesem Treffen, es reisten auch viele Gäste an, was die estniche Polizei mit allen Mitteln verhindern wollte. Es hat auch gewirkt, die Präsenz der Veteranen der Waffen-SS aus dem Ausland und ihrer Unterstützer war geringer als in den Vorjahren.

Ein anderes Megathema war der Kampf um die russischen Schulen. Obwohl schon seit 1993 klar war, dass russisch-sprachigen Schulen langfristig kein Bestand haben werden, ist man erst jetzt richtig aufgewacht, denn ab dem nächsten Jahr sind alle Gymnasien angewiesen, mindestens 60% der Fächer auf Estnisch abzuhalten. Seitdem wird heftig gestritten, ob die Schulen vorbereitet sind, ob die Schüler das wollen und was die Umstellung für die russisch-sprachige Gemeinde bedeutet. Auf einer Seite ist der Bildungsminister Tõnis Lukas von der natinalistischen Partei IRL, der möglichst sämtliche Bildung auf russisch abschaffen möchte, auf der anderen Seite hat sich der Rat der russischen Schulen gebildet, der sich zum Ziel gesetzt hat so viel wie möglich zu erhalten. Im Vorfeld der Wahlen geht es natürlich hoch her, jede Partei will ihre Klientel zu dieser Frage befriedigen.

Apropos Wahlen. Und wieder wird der estnische Wähler mit der Kralle Moskaus erschreckt worden. Der neueste Skandal dreht sich um den Vorsitzenden der Zentristenpartei, den Bürgermeister von Tallinn Edgar Savisaar, der sich erdreist hat von der russischen Regierung in Gestalt des Chefs der russischen Eisenbahnen Yakunenko 1,5 Mio Euro zu bitten, damit der Bau der russisch-orthodoxen Kirche im Tallinner Stadtteil Lasnamäe finanziert werden kann. Ausserdem soll er um eine Spende für den Wahlkampf gebeten haben, wobei nicht klar ist, ob diese Spende ihm auch gewährt wurde. Die KAPO schlug Alarm und seitdem zeigt sich die politische Elite entsetzt, Präsident Ilves sagt aller Ernstes, dass ausländische Spenden für den Bau von Kirchen unmoralisch ist. Damit ist Ilves heiliger als der Papst, denn Vatikan wäre schon längst pleite wenn es die gleiche Politik verfolgen würde. Auch ist es ein offenes Geheimnis, dass die Reformistenpartei von schwedischen Banken unterstützt werden, was erklären würde, warum während der Wirtchaftskrise alles getan wurde, damit die Banken nicht zu Schaden kommen, also keine Entwertung der Krone, keine Nationalisierung der privaten Schulden und Einführung des Euro unter allen Umständen. Rekordarbeitlosigkeit, Firmen- und Privatpleiten scheinen nicht in Gewicht zu fallen. Nichtdestotrotz ist Savisaar ernsthaft politisch beschädigt, so dass die Wahlen nächstes Jahr höchstwahrscheinlich nichts an derzeitigen Koalition ändern werden, eventuell werden weniger Parteien ins Parlament einziehen, alles andere wäre eine grosse Überraschung.

Was sind die Voraussagen fürs nächste Jahr? Mit der Einführung des Euro (und damit Vergleichbarkeit von Preisen und Gehältern) und dem Fall der Arbeitsbeschränkungen für Arbeitnehmer der neuen EU-Länder in Deutschland und anderen Ländern, wird sich die Auswanderungen voraussichtlich fortsetzen, schon jetzt verspricht die Bevölkerungszählung nächstes Jahr unangenehme Überraschungen. Das Sterben der russischen Schulen setzt sich fort, als nächstes sind Kindergärten dran. Die Wahlen werden vermutlich nichts ändern.

Doch es gibt auch was Schönes zu berichten. Vermultich werden recht viele Besucher nach Tallinn kommen, denn neben Turku ist Tallinn europäische Kulturhaupt 2011, mit recht geringem Budget, doch es gibt einige Programmpunkte, die auf jeden Fall interessant klingen. Mal sehen, ob wir uns dort treffen.

Frohe Weihnachten und Schönes neues Jahr wünscht den Lesern,

kloty