Samstag, März 21, 2009

Notchnoj Dozor vs Jüri Pihl

Am 7.März hat Notchnoj Dozor eine Protestaktion vor den Türen der Nationalbibliothek durchgeführt in dem der Parteitag der Sozialdemokraten stattfand. Protest richtete sich gegen den prominenten Mitglied der Partei, den jetzigen Innenminister Jüri Pihl, der auf dem Parteitag zum Vorsitzenden der Partei gewählt wurde. Transparente mit folgenden Aufschriften waren zu sehen:

Nein zum Polizeistaat!!!
Pihl, Demokratie ist kein Polizeischlagstock!
Verbrecher -ins Gefängnis und nicht zum Vorsitz
Nein zur Diktatur!
Mit Pihl Sozialdemokratie oder National-Sozialismus!?



Warum hat sich Notchnoj Dozor ausgerechnet Jüri Pihl vorgenommen? Als Innenminister war Pihl der Hauptverantwortliche für die Polizeiaktion während der Bronzenen Nächte. Anschliessend behauptete er, dass Dank ihm ein Staatsstreich verhindert wurde und die Beschuldigten eine gerechte Strafe bekommen werden. Er war auch der Initiator der sogenannten Lex Bronzenen Nächte, die als Reaktion auf die Unruhen erlassen wurden und der Polizei mehr Rechte (sprich mehr Auswahl bei der Gewaltanwendung) bei der Unterdrückung der ungewünschten Versammlungen gegeben wurden. Als früherer Generaldirektor der KAPO (estnischer Verfassungsschutz) hat er die besten Verbindungen zu dieser Behörde und sorgt dafür, dass alle unliebsamen Politiker, Journalisten, bekannte Personen, aber auch einfache Bürger observiert werden. Interessanterweise ist seine Frau Lavli Lepp eine Generalstaatsanwältin, die bei Bedarf sich an KAPO wendet, um Material für eine Anklage zu bekommen. Sie hat die Anklage gegen den wegen Spionage verurteilten Hermann Simm vorbereitet und beschäftigt sich mit der Anklage gegen die Bronzenen Vier, die ja in Revision geht. Sogesehen konzentriert sich bei der Familie Pihl die Legislative (Vorsitzender einer im Parlament vertretenen Partei), die Exekutive (Innenministerium) und die Judikative (seine Frau als Staatsanwältin). Nicht zu vergessen die frühere Tätigkeit Pihls als Kanzler des Rechts.

Momentan wird im Parlament ein Gesetzespaket, das von Pihl und dem Justizminister Rein Lang initiiert wurde diskutiert, der das Verhalten des Staates in Zeiten des Notstands regelt. Unter Notstand ist keine Naturkatastrophe, sondern ein Aufstand gemeint, eine Wiederholung der Bronzenen Nächte sozusagen. Sollte das Paket durchkommen, bekommt die Regierung weitreichende Befugnisse:

- Einsatz der Armee im Landesinneren zur Stabilisierung der Lage
- Recht auf Zensur
- Recht auf Durchsetzung von Demonstrations- und Streikverbot
- Ausgangsverbot für Bürger

Bereits beim jetzt gültigen Gesetz sind folgenden Einschränkungen für die Bürger im Fall eines Notstandes vorgesehen:

- Verbot der freien Meinungsäusserung
- Freiheitsentzug
- Einschränkungen beim Recht der freien Berufsausübung
- Einschränkungen für Mitgliedschaft in Vereinen und NGOs
- Verletzung der Unantastbarkeit des Privatvermögens
- Verletzung der Unantastbarkeit der Privaträume
- Einschränkung bei Wohnungswahl und Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes
- Einschränkungen bei der Ein- und Ausreise nach Estland
- Einschränkungen des Postgeheimnisses
- Einschränkungen beim Recht sich mit Hilfe der Massenmedien zu informieren
- Einschränkungen beim Auskunftsrecht bei den Behörden und Staatsarchiven
- Verbot, Informationen schriftlich, mündlich oder auf andere Art weiterzuverbreiten
- Einschränkungen bei Versammlungsfreiheit

Ausserdem wird das Recht der Festgenommenen auf einen Anwalt eingeschränkt. Wenn jetzt ein Festgenommener innerhalb von 48 Stunden das Recht hat, einen Anwalt zu kontaktieren, wird diese Zeit auf 15 Tage ausgedehnt.

Dazu wird das Recht einen Notstand auszurufen vom Präsidenten auf die Regierung übertragen, wobei überhaupt nicht klar ist, welche Art von Ausschreitungen zum Ausrufen eines Notstandes berechtigen. Notstandslage kann für maximal 3 Monate ausgerufen werden.

Wie man sieht, bekommt die Regierung sehr weitreichende Befugnisse während eines Notstandes, den sie selbst ausrufen kann. In Zeiten der schweren Wirtschaftskrise und die Unruhen in April 2007, in Lettland, Litauen, Ungarn vor Augen könnten diese Gesetze viel schneller ausgerufen werden, als man denkt. Deswegen ist es meines Erachtens sehr wichtig eine Diskussion in der Gesellschaft zu starten, ob sie bereit ist, solche weitreichende Befugnisse in die Hände der Regierung zu geben.

1 Kommentar:

sonikrave hat gesagt…

Notstandgesetze gibt es auch in Deutschland, von Beschränkung des Briefgeheimnis (sogar als nicht einklagbares sogenanntes G-10-Gesetz), bis hin zur Einschränkung der Freizügigkeit.

Notstandsgesetze können auch Sinn ergeben, um eine verfassungsfeindliche Machtübernahme zu verhindern.

In Zeiten der globalen Wirtschaftskrise, wovon tendenziell rechts- und linksextreme Randgruppen profitieren, macht es durchaus Sinn sich darüber Gedanken zu mache ein Notstandgesetz zu vereinbaren, welche die Rechte und Pflichten im Enrstfall regelt.

Allerdings sollte dies auch die Bürger mit einem Widerstandsrecht in die Pflicht nehmen, wie im GG $20 unter "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist, jedem Deutschen das Recht gibt, gegen jeden, der es unternimmt, diese (verfassungsmäßige) Ordnung zu beseitigen, Widerstand zu leisten" geregelt.

Zudem empfiehlt es sich eine Verfassungsbeschwerde verfassungsrechtlich zu garantieren.

Zudem sollte ein Notstandsgesetz folgende Kategorien enthalten bzw,. zwischen diesen Kategorien diversifizieren:

- Verteidigungsfall
- Spannungsfall
- innerer Notstand
- Katastrophenfall