Donnerstag, Dezember 31, 2009

Berlin - Kutaissi - Tallinn

Vor kurzem wurden zwei Ereignisse kaum in der westlichen Presse erwähnt, die an zwei weit voneinander entfernten Orten stattgefunden haben und auf den ersten Blick wenig mit dem Thema Estland zu tun haben, doch halte ich sie für bedeutend genug, um sie zu erwähnen.

Das erste Ereignis fand in Berlin statt. Vom 15-17.12 fand dort eine internationale Konferenz unter dem Namen "Lehren des Zweiten Weltkrieges und Holokausts" statt, die von dem Kongress der russisch-sprachigen Jüden mit der Unterstützung von jüdischen und antifaschistischen Organisationen Europas und GUS durchgeführt wurde. Zwei Tage lang haben Politiker, Mitglieder der zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, als auch religiöse Führer nach den Lösungen für das Problem der Geschichtsfälschung und Heroisierung des Nazismus gesucht. Als Ergebnis der Konferenz wurden einige Resolutionen verabschiedet.

2010 wird die Welt den 65. Jahrestag des Sieges über nationalsozialistischem Deutschland feiern. Dieses Datum ist direkt mit der Tragödie und dem Heldentum der Völker verbunden, die Nazismus vernichtet haben. Nach dem Grossen Vaterländischen Krieg, noch im Jahr 1946, hat das Internationale Tribunal in Nürnberg die nazistischen Verbrecher und Nazismus als Ideologie verurteilt. Damals konnte sich keiner auch nur vorstellen, dass ein halbes Jahrhundert später jemand die Ergebnisse des Internationalen Tribunals verändern und zu der "vor-Nürnberg" Moral zurückkehren möchte. Doch das Problem der Heroisierung des Nazismus gewinnt immer mehr an Aktualität.

- Konnten wir noch vor 15 Jahren uns vorstellen, dass der Staatsoberhaupt einer regionalen Supermacht, des Irans, zu beweisen versucht, dass es kein Holokaust gab und dass ihn die Juden sich ausgedacht haben, um den Staat Israel zu erschaffen? - stellte eine rhetorische Frage der Präsident des KRSJ Boris Spiegel.

In seinem Vortrag wurde eine Reihe von Ereignissen erwähnt, die die Bedeutung der Geschichtsfälschung aufzeigen. Zum Beispiel werden heute in der Ukraine Roman Schuchevitch und Stepan Bandera, die während der Kriegsjahre Hilfe den deutschen Okkupanten geleistet haben, als Helden ausgezeichnet.

In Estland kann man in jedem Kiosk ein Kalender kaufen, der aus nazisitschen Postern der Jahre 1941-1944 besteht, die die Esten gegen Bolschevismus und Russen zu kämpfen, "Moskau einzunehmen" und den 22.Juni 1941 zu feiern, der Tag, an dem Hitlerdeutschland UdSSR überfiel, aufrufen. Ausserdem ist dieser Kalender den Schülern für das Studium der Geschichte des nationalen Posters empfohlen! In Finnland auf dem alljährlichen Markt der estnischen Waren kann man neben den Backwaren und gestrickten Handschuhen auch die Produktion des Verlages "Grenadier" kaufen: T-Shirts mit der Symbolik des estnischen SS-Legions, CDs mit den Liedern der Legionäre und "nationalen Partisanen", mit Aufnahmen der Gruppe Untsakad, die über die "jüdische Macht, Politkruken und Verbrecher" in Moskau singen. Und sogar in Russland möchte man in der Nizhegorodskaja Oblast ein Museum zu Ehren von General Andrej Vlassov öffnen, der zuerst gegen Faschismus und danach mit Faschisten gegen UdSSR kämpfte…

Dabei stellte sich heraus, dass bei weitem nicht alle Teilnehmer der Konfernenz wissen, was in ihren Ländern geschieht. So trat die Botschafterin der Ukraine Natalja Zarudnaja während des Forums auf und behauptete, dass "xenophobische Stimmungen Ukraine nicht berührt hätten" und "das blutige Gedächtnis von Babij Yar" die ukrainische Erde vor Propaganda des Nazismus schützen würde. Dabei ist der Grossteil der Konferenzteilnehmer gerade mit der Sachlage in der Ukraine beunruhigt! Unter anderem auch in Babij Yar, wo heutzutage nicht weit vom Monument ein Fussballfeld errichtet wurde, so dass die Kinder faktisch auf den Knochen der getöteten Leute spielen.

- Wir können nicht die Geschichte umkehren und die Welt zu der "vor-Nürnberg" Moral zurückführen. Das ist der direkte Weg zur Legitimierung des Nazismus, zum Vergessen seiner Opfer, unter anderem 6 000 000 Juden, die in Feuern des Holokausts verbrannten - das ist der Weg zum Überprüfen der Nachkriegsgrenzen, auch des Fakts der Existenz des Staates Israel, - sagt Boris Spiegel.

Der Präsident des KRSJ ist sich sicher: es ist an der Zeit die Wahrheit zu sprechen - über Nazismus, über den Krieg, über Holokaust, über diejenigen, die den Nazisten geholfen haben, die schrecklichsten Verbrechen des XX Jahrhunderts auszuführen, und auch über diejenigen, die heute sie beschützen. Und gerade deswegen hat der Kongress der russisch-sprachigen Juden zusammen mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Ukrainischen Jüdischen Kommitee die Konferenz "Die Lehren des Zweiten Weltkrieges und Holokausts" initiiert.

- Ich denke, dass die heutige Konferenz als die erste Berliner Konferenz in die Geschichte eingehen wird, die den Anfang gemacht hat, alle antinazistischen und antifaschistischen Kräfte der Welt zu vereinen. Das ist unser Hauptziel, deswegen haben sich hier ca. 500 Delegierte aus 25 Ländern versammelt, sagte Spiegel und fügte hinzu, dass heute bei der Lösung des Problems der Heroisierung ces Nazismus "keine Worte sondern konkrete Taten" notwendig seien.

- Wir schlagen ein konkretes Programm vor - sagte er. - Schon in den nächsten Monaten muss eine internationale Zusammenkunft aller antifaschistischen Kräfte durchgeführt werden, um gemeinsame praktische Lösungen zum Verhindern des Auferstehens des Nazismus auszuarbeiten und zu koordinieren.

Die ersten Schritte zum Erreichen dieses Zieles sind schon gemacht. Schon am Mittwoch während der Plenarsitzung haben die Teilnehmer der Konferenz beschlossen, eine neue internationale Organisation zu erschaffen, die alle antifaschistischen Kräfte konsolidieren sollte unter dem Namen Internationaler Antifaschistischer Front. Zu den Aufgaben dieser neuen Organisation zählt Monitoring der Verletzungen der Urteile des Nürnberger Tribunals, in dessen Dokumenten genau beschrieben ist, dass Organisationen, jüristische und physische Personen und Regierungen jener Länder, die militärische Formierungen, die auf Seite Hitlers gekämpft haben, reabilitieren, vor einem internationalem Tribunal gestellt werden sollen. Dieses Monitoring wird in allen Ländern durchgeführt.

Die Teilnehmer der Konferenz sind sich sicher: Mit Verbrechern muss man auf dem Level für jüristischen und normativen Akten arbeiten, deswegen werden die Ergebnisse der Arbeit des Internationalen Antifaschistischen Frontes an internationales NGOs weitergegeben, um mit der "braunen Pest" zu kämpfen.

Insgesamt wurden aufgrund der Ergebnisse der Konferenz einge wichtige Dokumente beschlossen.

Erstens - eine Erklärung an die Länder und Völkern der Welt über Unzulässigkeit der Reabilitation des Faschismus. Diese Erklärung wird aufgrund der Beschlusses der Delegierten auch an das Europarat und an die UNO weitergeleitet.

Zweitens - eine Resolution zu allen antifaschistischen Kräften, die zur Organisation einen ständigen Rates der antifaschistischen und antinazistischen Kräfte aufruft.

Das dritte Dokument ist ein Aufruf an die KSZE, in dem die Unzulässigkeit des Vergleiches des stalinistischen Regimes und nazistischer Verbrechen unterstrichen wird.

"Das Böse gab es sowohl in Taten Hitlers, als auch in Taten Stalins, doch kann man die nicht aneinander angleichen! Genausowenig kann man GULAG mit Auschwtz vergleichen - die Gründe warum die Leute in diese Lager kamen, sind prinzipiell verschieden, ebenso die Ideologien" - erklärte Spiegel.

Aufgrund der Ergebnisse der Konferenz wurden zwei zusätzliche Resolutionen angenommen: eine - die die Zerstörung des Denkmals den sowjetischen Soldaten in Georgien verurteilt und die andere über die Unzulässigkeit der Holokaustleugnung der Regierung Irans. Und die letzte Resolution ist ein Dokument, das ausführlich über die heutige Lage in der Ukraine berichtet. Bemerkenswert ist, dass gerade dieses Dokument die meiste Resonanz bei den Delegierten hervorrufte:

- Wir können nicht uns damit anfreunden, was heute in der Ukraine geschieht! - kommentierte es Herr Spiegel. Sogar wegen dem auf der Konferenz anwesenden Brigadegenerals Arad - dem Soldaten der drei Armeen, die die Freiheit uns und dem ukrainischen Volk brachten! Wir wollen nicht, dass für diese Orden, die an seiner Brust hängen, dem SS-Schuchevitch den Rang des Helden zugesprochen wird. Und in der Ukraine geschieht das auf dem Regierungslevel. Wir sind überzeugt, dass wir gegen die Regierungen der Länder, die die Nazi-Verbrecher heroisieren, kämpfen müssen und werden.

Der Kongress der russisch-sprachigen Juden hat schon begonnen die Gesetze auszuarbeiten, die zur Verantwortung für Propaganda und Heroisierung von Nazismus heranziehen. Es ist vorgesehen, dass auf Basis dieser Dokumente die Organisation den Ländern Europas vorschlagen wird Modelgesetze zu erlassen und falls die Parlamente der verschiedenen Länder sich einverstanden erklären, wird es ein bedeutender Schritt auf dem Weg des Unterbindung der Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und Verzerrung der Geschichte und moralischen Ergebnisse des Holokausts sein.

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Das zweite Eregnis fand in Georgien statt. In der zweitgrößten Stadt Kutaissi wurde das Memorial des Gedenkens an die Kämpfer der sowjetischen Armee gesprengt. Das Memorial wurde 1981 eröffnet und symbolisierte die Erinnerung an die 700 000 georgische Soldaten, die an dem Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Ein Drittel von ihnen kehrte nicht zurück. Der Erschaffer des Memorials ist ein bekannter georgischer Bildhauer Merab Berdzenischwilli. Die offizielle Begründung der Sprengung ist, dass an diesem Platz neues georgisches Parlament genaut werden soll, um den Protesten der aussenparlamentarischen Opposition in Tiflis auszuweichen. Ausserdem war das Memorial angeblich sanierungsreif und konnte nicht restauriert werden.



Die Sprengung wurde in grosser Eile durchgeführt, angeblich sollte es ein Geschenk zum Geburtstag des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwilli werden. Als Ergebnis wurden bei der Sprengung eine Frau und ihr 8-jähriges Kind getötet, die aus ungenügender Entfernung die Sprengung beobachtet haben.



Wie man sich unschwer vorstellen kann, erinnert die Sprengung an die Geschehnisse in Estland 2007 rund um den Bronzenen Soldaten. Saakaschwilli hat auch schon zugegeben, dass die Sprengung politische Motive hatte, denn das Denkmal würde die sowjetische Armee verherrlichen, dafür ist in Georgien kein Platz übrig (Stalin-Denkmäler sind dafür durchaus üblich). Entsprechend sind die Reaktionen aus Russland und befreundeten Staaten. Der russische Internet ist voll mit Aggressionen gegenüber Georgien. Der russische Ministerpräsident Putin hat vorgeschlagen, die baugleiche Kopie des Denkmals in Moskau aufzustellen, wobei angeblich die georgische Gemeinde in Russland vorgeschlagen hat die Kosten dafür zu übernehmen. Ins Flammenherd Kaukasus ist wieder Öl reingegossen worden.

Mittwoch, Dezember 23, 2009

Das war 2009

Auch dieses Jahr war für Estland ein sehr schwieriges Jahr. Die offizielle Rate der Arbeitslosigkeit ist auf 13% gestiegen, inoffiziell (also mit Berücksichtigung der arbeitsfähigen Bevölkerung, die in der offiziellen Statistik nicht auftaucht, da sie keine Arbeitslosenhilfe mehr bezieht) dürfte die Arbeitslosenrate eher bei 16-18% liegen. Viele Leute bekommen überhaupt keine Unterstützung und sind auf Schwarzarbeit oder die Hilfe der Freunde/Verwandte angewiesen. Wie ich mich selbst überzeugen konnte, kehren die 90-er Jahre zurück, mit organisierten Banden, mit Dächern (also Schutzgelderpressung), mit erhöhtem Konsum harten Drogen und allgemein hohen Kriminalitätsraten. Die lautesten Kriminalfälle waren zweifellos die Entführung der Arctic Sea, wobei bis heute nicht klar ist, was da eigentlich geschah und die Enttarnung von Hermann Simm, der viele wichtige NATO-Dokumente an Russland weitergab.

Die Wirtschaft stürzte um voraussichtlich 16% ab, Industrieaufträge um 20%, Wohnungspreise um bis zu 50%. Überall stehen leere Wohnungen, die entweder nicht verkauft werden konnten oder die, die Eigentümer sich nicht mehr leisten konnten. Viele Arbeitssuchende wandern aus, in der Hoffnung im Ausland eine Arbeit zu finden.

Es gab zwei Wahlen, die nichts geändert haben, eins für Europaparlament, bei der der absolute Gewinner der Populist Indrek Tarand geworden ist und Kommunalwahlen, die die Zentrumspartei zwar gewonnen hat, doch die keinerlei sichtbare Auswirkungen auf die Landespolitik hatte, man kann sie höchstens als Vorlage für die nächsten Landeswahlen sehen, die erst in zwei Jahren stattfinden werden. Die Koalition mit Sozialdemokraten ist zwar zerbrochen und die konservativ-liberale Regierung regiert in der Minderheit, doch sitzt der estnische Ministerpräsident Andrus Ansip immer noch erstaunlich fest im Sattel.

Die Politik des vergangenen Jahres hatte nur ein Ziel: die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, um im Jahr 2011 Euro in Estland einführen zu können. Im Namen des Euros wurden mehrmals Budgetkürzungen durchgeführt, es gab keinerlei staatlichen Beihilfen weder für die Unternehmen, noch für die Bevölkerung. Im Gegenteil wurden die Bemühungen der Stadt Tallinn arbeitslosen Menschen soziale Arbeitsplätze zu vermitteln von Ansip als menschenunwürdig bezeichnet. Eins muss man der Regierung lassen, inzwischen ist es sogar vorstellbar, dass die harten Kriterien zur Euro-Einführung von Estland erfüllt werden, die Inflation ist sehr niedrig, dank rigoroser Sparmassnahmen liegt die Neuverschuldung unter 3% und Staatsschulden sind mit die niedrigsten in EU. Doch jetzt stellt sich die Frage, ob die Euro-Gemeinschaft reif dafür ist neue Mitglieder aufzunehmen, denn mit den alten Mitgliedern wie Griechenland gibt es mehr als genug Ärger. Solange man diese Brandherde nicht unter Kontrolle bekommt, ist es zweifelhaft, dass neue Mitglieder aufgenommen werden.

Der Zustand der russisch-sprachigen Gemeinde in Estland ist nur als jämmerlich zu bezeichnen. Die Versuche bei den Wahlen zu punkten, endeten für Klenski mit massiver, Niederlage. Die Zentristen haben geschafft die Stimmen der russisch-sprachigen Bevölkerung auf sich zu vereinen, obwohl die meisten Kommentatoren sich einig sind, dass die Zentristen die Interessen der russisch-sprachigen Bevölkerung kaum vertreten. Notchnoj Dozor ist im desolaten Zustand, die einzige positive Nachricht war, dass die Bronzenen Vier von allen Vorwürfen der Anklage freigesprochen wurden. Als Reaktion darauf wurden schärfere Gesetze der sogenannte "Bronzene Paket" verabschiedet, damit solche Freisprüche in der Zukunft nicht mehr passieren. Schlimm steht es auch um die russisch-sprachigen Massenmedien, mehrere Zeitungen wurden geschlossen und existieren als Online-Ausgaben weiter, wobei die Qualität noch weiter gesunken ist.

Die KAPO wütete auch dieses Jahr unter den Andersdenkenden. Die Blogger Irja und Inno Tähismaa wurden drangsaliert, der goldene Soldat der Künstlerin Kristina Norman wurde entfernt, der Sänger Sergej Baj wurde für sein Lied vorgeladen, Aleksej Semjonov's Zentrum für Menschenrechte wird zwar offiziell nicht als feindliche Institution eingestuft, jedoch ist Kontakt den Journalisten der öffentlich-rechtlichen Sender mit ihm untersagt worden.

Aussenpolitisch hat sich nicht sonderlich viel verändert. Baltische Staaten, Ukraine und Georgien fahren mit ihren russlandfeindlichen Politik fort, werden aber nicht mehr sonderlich ernst genommen, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, wie Genehmigung für die Gaspipeline Nordstream und bevorstehender Verkauf von Hubschrauberträger Mistral von Frankreich an Russland zeigen. Langsam formiert sich Protest gegen die veränderte Geschichtsauslegung der baltischen Staaten und Ukraine seitens der jüdischen Organisationen, die Holocaust als singuläres Ereignis definiert haben wollen und keine Vergleiche mit Stalinismus erlauben.

Was bringt 2010? Es wird wieder sehr anstrengendes Jahr sein, falls das Ziel der Euroeinführung beibehalten wird. Die Arbeitslosenzahlen werden kaum sinken, denn die Investoren haben sich schon einmal die Finger verbrannt und kommen nicht so schnell wieder, ausserdem ist die Binnennachfrage wegen Überschuldung und Angst vor Arbeitslosigkeit niedrig und wichtige Exportmärkte entweder wirtschaftlich unattraktiv wegen hohem Wechselkurs zwischen estnischen Krone und bspw. schwedischen Krone, oder politisch geschlossen wie in Russland. Wahrscheinlich werden immer mehr russisch-sprachige Schulen geschlossen, was Proteste der russisch-sprachigen Bevölkerung hervorrufen könnte. Durch das Anziehen der Weltwirtschaft und dementsprechend höheren Ölpreisen wird Russland wieder stärker und wird wieder Grossmachtfantasien ausleben, was Esten gar nicht recht sein wird. Und mit hohen Wahrscheinlichkeit werden mehr Esten auswandern, wenn in anderen Ländern wieder Arbeitsplätze geben wird.

Nichtsdestotrotz wünsche ich meinen Lesern frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr. Vielen Dank, dass ihr mein Blog liest und kommentiert, ich weiss es sehr zu schätzen.

Euer kloty

Dienstag, Dezember 22, 2009

Wieder Blogger unter Druck

Ein Artikel auf Baltija.eu.

Estnische Blogger wurden gezwungen eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass sie ihren Aufenthaltsort nicht verlassen dürfen

Wie schon früher berichtet wurde, rückten die für die Nutzer des Internets durch ihre kritische Betrachtungsweise über die heutigen Geschehnisse in Estland bekannte Blogger, Ehepaar Inno und Irja Tähismaa wieder in den Aufmerksamkeitsfokus der estnischen Sicherheitskräfte. In ihrem Briefkasten fanden sie eine Einladung der örtlichen Polizeidienststelle.

Im Gespräch mit dem Korrespondenten des Informationsportals der russischen Gemeinde in Estland erklärte Irja Tähismaa, dass die Versuche den Grund für die Einladung telefonisch rauszubekommen nicht erfolgreich waren. Doch wurde ihr erklärt, dass im Falle des Nichterscheinens, sie und ihr Ehemann festgenommen werden könnten.

Am 14. Dezember ging das Ehepaar zur Polizei, wo sich herausstellte, dass gegen Inno Tähismaa eine Untersuchung nach dem Artikel 221 durchgeführt wird, wegen Nichtbezahlung von Unterhaltszahlungen.

Wie Inno uns berichtete, hat eine solche Beschuldigung keinerlei Grundlage, und die Untersuchung nichts anderes sei als ein Versuch, ihn zu diskreditieren und seine Bewegungsfreiheit einzuschränken.

"Die Sache ist so, dass wir heute vorhatten nach Moskau zu fahren, um sich dort mit den Aktivisten der Bewegung Naschi zu treffen, deren Interessen wir vor estnischem Gericht zu verteidigen gedenken. Doch weil von mir eine Erklärung über das Nichtverlassen meines Wohnortes genommen wurde, musste diese Reise abgesagt werden. Die gegen mich erhobene Anschuldigungen ist eine Provokation der Regierung, denn ich hatte und habe keine Schulden meinen Kindern gegenüber" - ergänzte Inno Tähismaa.

Erinnern wir uns, dass die frühere Staatsanwaltgehilfin Irja Tähismaa und ihr Mann, früherer Leiter der Presseabteilung des estnischen Finanzmisteriums schon früher Unannehmlichkeiten mit den estnischen Sicherheitskräften hatten.

Am 28. April 2009 wurde nach ihrer Teilnahme an einer Protestaktion von Notchnoj Dozor ihre Wohnung durchsucht. Gegen 8 Uhr morgens kamen zu ihnen Vertreter des Amtes für Datenschutz in Begleitung von Polizeikräften. Ihnen wurde ein Durchsuchungsbefehl gezeigt. Die Bitte die Ankunft des Rechtsanwalts abzuwarten wurde abgelehnt. Im Laufe der Durchsuchung haben die Polizisten Computer, Foto- und Videoapparatur und persönliche Telefone der Blogger konfisziert.

Wie Irja Tähismaa dem Korrespondenten der russischen Gemeinde in Estland berichtete, wurde diese Aktion durchgeführt, um dem Wunsch der estnischen Regierung zu entsprechen die Wahrheit über die Menschenrechte in Estland vor der Weltgemeinschaft zu unterdrücken.

"Unsere Familie ist schon lange unter der Aufmerksamkeit der Sicheheitskräfte. Uns wurde mehrmals vorgeschlagen unseren Blog zu schliessen und mit der Kritik der jetzigen Regierung aufzuhören. Wie es aussieht hat sich der psychische Druck als unzureichend erwiesen, deswegen wurde jetzt Kraft gezeigt" - erklärte Irja.

Ein Monat vorher wurde die Seite der Gegner der heutigen Regierung in Estland angegriffen. Der Inhalt des Blogs wurde komplett gelöscht.

In der letzten Zeit haben die bekannte Blogger eine Aktion für die Verteidigung der Rechte der Aktivisten der Bewegung "Naschi" durchgeführt. Unter anderem verlangen sie nach Erklärung des estnischen Innenministeriums, die die Schliessung der Grenze für die Kommissarin der Bewegung Marjana Skvorzova betrifft.

Dienstag, Dezember 15, 2009

Auch das noch

Wiener Zeitung

In Estlands Gefängnissen ist kein Platz mehr

Ausgebucht

Von WZ Online/APA

Polizei kann nicht mehr verhaften



Tallinn. Die estnische Polizei weiß derzeit nicht wohin mit festgenommenen Personen, weil alle Gefängnisse und selbst Arrestzellen in Wachstuben im ganzen Land voll sind. Innenminister Marko Pomerants forderte am Dienstag das Justizministerium auf, dringend Abhilfe zu schaffen.
Die Beamten seien sonst gezwungen, wegen kleinerer Vergehen wie Taschendiebstahl geschnappte Kriminelle einfach wieder laufen zu lassen.
Pomerants sagte laut der baltischen Nachrichtenagentur BNS, seit vergangenem Mittwoch gebe es praktisch keine freien Zellenplätze mehr. Im ganzen Land habe sich lediglich ein freier Platz habe gefunden. Schon am 24. November habe sich das städtische Haftanstalt in Tallinn ausgebucht gemeldet.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Donnerstag, Dezember 10, 2009

Without further comments...

Gewinner des Kinofestivals des mobilen Films MOFF in der Kategorie: Wir lieben Estland. Die Leute singen die estnische Nationalhymne

Mittwoch, Dezember 02, 2009

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Müssen die Nachrichten immer ernst sein? Was eignet sich besser als Satire, um die Absurdität mancher Neuigkeiten zu unterstreichen und dem Leser vor Augen zu führen? Nach dem anfänglichen Lachen begreift man, dass hinter anfänglichem Witz doch ein harter Kern steckt, der eventuell gar nicht zum Lachen ist.

Lange Rede kurzer Sinn, hiermit möchte ich zwei Seiten vorstellen, die sich den Nachrichten aus Estland von der humoristischen Seite her nähern:

The Livonian Chronicle rühmt sich zwar als The Baltic region's Paper of record since 1175 A.D., doch interessanterweise sind die ältesten Artikel vom November diesen Jahres. Die Macher scheinen die verlorene Zeit gerne aufholen zu wollen, denn 59 Artikel in einem Monat ist eine stolze Anzahl. Der Urheber und die Autoren geben sich nicht zu erkennen, die Leser von BBN haben gewissen Verdacht, wer dahinterstecken könnte (der unnachahmliche Count of Mount Kopli), aber gesichert ist das nicht. Für jeden, der der englischen Sprache mächtig ist, sehr lustig zu lesen und dabei einen guten Überblick über die aktuellen Themen aus der Wirtschaft und Politik in Baltikum zu bekommen.

Bei Stalnuhhin ist es absolut klar, wer der Autor ist. Mihail Stalnuhhin ist einer der bekanntesten und beliebtesten russisch-sprachigen Politiker des Landes. Er ist Vorsitzender des Stadtrates von Narva und Mitglied der Zentristenpartei. Es ist unglaublich, woher er die Zeit nimmt, quasi täglich eine neue Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln. Manchmal sind es
ersthafte Artikel, wenn er etwa über die KAPO-Befragungen von einer schwangeren Frau berichtet, deren Kind jetzt behindert ist, wegen dem Stress in der Schwangerschaft, oder von Schuldnern, die von gewissenlosen Wohnungseigentümern quasi auf die Strasse gesetzt werden. Doch sehr viele seiner Geschichten beschäftigen sich mit der aktuellen Regierung, deren Mitglieder er gerne in verschiedenste Rollen schlüpfen lässt. Besonders die Kenner der russischen Literatur werden viele Querverweise erkennen. Die Artikel beschäftigen sich mit aktuellen Themen, ein grosses Thema
ist die Integration der russisch-sprachigen Bevölkerung, wobei der Autor Kraft seines Amtes und Parteizugehörigkeit gemäßigte Positionen einnimmt.

Ein bisschen Eigenwerbung kann auch nicht schaden. Vor zwei Jahren schrieb ich einen Artikel für Delfi, der unerwartet hohe Wellen geschlagen hat. Ich kann mir das nur damit erklären, dass Humor besonders dann gebraucht wird, wenn es sehr wenig zu Lachen gibt.

Sonntag, November 29, 2009

Kui raske eestis olla (Schwer ist es in Estland zu leben)

Bei meinem letzten Besuch in Estland wurde mir das Lied von Sergej Baj mit dem Namen Kui raske eestis olla vorgespielt. Jetzt wurde der Sänger zu einer Unterhaltung mit der KAPO gerufen. Die Mitarbeiter interessierten sich warum er dieses Lied geschrieben hat, wer das Lied in Auftrag gegeben hat und ob er auch andere politische Lieder hat.

Sergej antwortete wahrheitsgemäß, dass er keine andere politische Lieder hat und er apolitisch ist. Die Einladung hält er für eine profilaktische Massnahme und misst ihr keine besondere Beachtung bei.

Hier ist der Stein des Anstosses:



Refrain: Oh kui raske Eestis olla 2x

Wir leben in einem kalten Land
Uns nennt man Estland,
Wir sammeln Opfergaben,
Welche man uns manchmal gibt.
In EU sind wir wer,
wichtige Herren,
wir haben ein Grund stolz zu sein,
wir haben eigenes Wasser

Refrain

Oft macht man Witze über die Esten,
dass wir lange denken
wir haben nicht genug Sonne
für Stoffwechsel
Wir bräunen uns viel im Sommer,
damit wir schneller denken können,
es ist gut im Sommer 10 lange Tage lang

Refrain

Wir haben eigene Regeln
wir sind ein geregeltes Volk
auf unseren Feldern sind Gräben
und nicht irgendein Kuddel-Muddel
unsere Landwirtschaft ist gut entwickelt in unserem Heimatland
wir düngen die Erde nur mit patentierten Sch..e

Refrain

Wir haben keine Angst vor Russland,
Wir haben eine eigene Armee
Ein Tausend Fahrradfahrer und ein halbes Schiff im Hafen
Auf der Grenze ist alles dicht, keiner kommt durch
Ein Angriff ist nicht möglich,
wir geben denen kein Visum

Refrain

Wir haben keine Angst vor Russland,
eigentlich hat man uns gar nicht gefragt.

Samstag, November 21, 2009

Der Fall Kononov

Vasilij Kononov wird von der lettischen Regierung beschuldigt, Kriegsverbrechen während der Nazi-Okkupationszeit in Lettland verübt zu haben. Er war Kommandeur einer sowjetischen Partisanentruppe, die in einem Dorf der Kollaboration beschuldigte Bewohner nach einem improvisierten Militärgericht für schuldig befunden und exekutiert hat. Prozess um Kononov, der in Lettland lebt, geht schon seit mehreren Jahren in immer höhere Instanzen. In wenigen Tagen soll das Europäische Gericht für Menschenrechte endgültig entscheiden. Der folgende Artikel wurde ursprünglich in der russischen Zeitung Izwestija abgedruckt und von baltija.eu übernommen.

Französischer Experte: "Falls Kononov für schuldig befunden wird, kann man alle Kämpfer der Resistancé vors Gericht bringen"

Ein Schulspruch über Kononov kann ein Vorspiel zur neuen Teilung Europas werden

Autor: Oleg Schevzov (Paris).

Bis zum Ende November muss das Europäische Gericht für Menschenrechte ein endgültiges Urteil zum Fall über sowjetischen Partisanen Vasilij Kononov fällen, den die lettische Regierung der Kriegsverbrechen beschuldigt. Der Experte für internationales Recht, Professor an der juristischen Fakultät der Nizza-Universität Robert Charvin, hat mit dem Korrespondenten von "Izvestia" in Paris gesprochen.

Frage: Warum ist Kononov-Prozess wichtig für die Europäer?

Antwort: Ein Schuldspruch über den sowjetischen Veteranen Kononov kann ein Vorspiel zur neuen Teilung Europas werden. Das Gerichtsurteil versucht man zu der logischen Fortsetzung der Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und Europäischen Parlaments zu machen, die einen Gleichheitszeichen zwischen Stalinismus und Nazismus gesetzt haben. Doch bei allen negativen Charakteristiken des Stalinismus, dies ist eine Erscheinung einer anderen Ordnung, unter anderem aus der Rechtssicht. Die lettische Regierung tat alles, um eine Unterstützung der Kollegen aus den EU-Ländern zu bekommen. Riga erzeugt Druck auf das Gericht in Strassburg, das leider für politische Konjunktur empfänglich ist. Der serbische Richter wurde zum Beispiel als voreingenommen bewertet und ausgeschlossen.

F: Wie kann das sein, dass in solchen Fragen das Gericht sich nicht nach dem Gesetz, sondern nach politischen Konjunktur richtet?

A: Ein Gericht, falls es kein Strafgericht ist, reagiert immer auf politische Argumente. Momentan ist nicht der Kriegsveteran Kononov, sondern modernes Russland das Hauptziel. Lettland möchte beweisen, dass es gleichermassen von sowjetischen und deutschen Armeen okkupiert wurde. Gleichwohl aus der Rechtssicht, kann die Schuld Sowjetunions nicht auf Russland übertragen werden. Sowjetunion kann man auch nicht in Analogie zu Nazi-Deutschland verurteilen, denn das Nürnberger Tribunal hat die Schuld der Nazis anerkannt.

Aus den Kommentaren der europäischen Massenmedien wird es klar: Auf Russland blickt man aus dem Westen immer noch feindlich, wie man vorher auf die Sowjetunion blickte. Moskau bleibt ein strategischer Konkurrent für die Europäer. Über den östlichen Nachbarn schreibt man unter jedem Vorwand nur negativ. Eine Ausnahme war die kurze Jelzin-Periode. Ich weiss nicht, wie es in USA aussieht, bei uns in Europäischen Union setzt sich die Ära von George Bush fort. Und falls Kononov, gleichbedeutend mit Russland, vorm Gericht verliert, über die Anerkennung des Faktes über sowjetische Okkupation Lettlands werden alle schreiben. Doch falls er gewinnen sollte, glauben Sie meiner Erfahrung, wird es absolute Stille geben.

F: Welche juristischen Folgen wird das Urteil haben?

A: Falls der Fall verloren wird, wird es schwerwiegende Folgen geben. Das Hauptargument der Anklage lautet: Kononov hat ohne Gericht und Untersuchung diejenigen vernichtet, die mit Nazisten kooperiert haben. Doch ich kann sagen: mein Onkel nahm an der Bewegung Resistancé teil, laut seinen Erzählungen handelte er genau gleich. Die Verdächtigen der Kollaboration wurden durch die Untergrundbewegung ohne Mitleid vernichtet, sonst wären alle verloren. Das waren die Gesetze der Kriegszeit. Die Verurteilung von Kononov erzeugt eine Präzedenz in der Beurteilung ähnlicher Fälle. Man kann jeden Kämpfer des antifaschistischen Widerstandes vors Gericht zerren: sie alle handelten unter Verletzung der demokratischen Prozeduren.

F: Doch kann der Gericht nicht die Realität dieser Zeit berücksichtigen?

A: Bei der ersten Verhandlung haben die Richter die Taten Kononovs für rechtmäßig befunden. Doch die grosse Gerichtskammer des Strassburger Gerichts kann eine neue Bewertung der Situation in Lettland zu der Kriegszeit geben, indem sie sich nach eigenen Vorstellungen der Geschichte richtet. Heute versucht man in Lettland diejenigen zu rehabilitieren, die in den SS-Armeen gedient haben, doch das Gericht könnte das nicht berücksichtigen. Während der Kriegszeit in Lettland wurden zwei Divisionen SS aus den lokalen Freiwilligen gebildet, die als Todesschwadronen tätig waren. Von den 70 Tausend in Lettland lebenden Juden, sind nach der Okkupation 500 übriggeblieben. Auch hat man Juden aus anderen europäischen Ländern dorthin hingebracht. Die lokalen Helfer der Nazis haben kein Mitleid mit ihnen gehabt. Die heutige Stimmung in Lettland symbolisiert folgender Fakt: Im Museum der sowjetischen Okkupation werden Fotos gezeigt (ich fand sie auf der Webseite des Museums), wo die lettische Bevölkerung 1941 mit Blumen die Armee Hitlers als "Befreier" feiert! In europäischen Museen wird man solche Ausstellungsstücke, die die Wehrmacht verherrlichen, nicht antreffen.

F: Und die historischen Dokumente, sind es für die Richter keine Beweise?

A: Leider nicht alle. Durch die Vorgabe der baltischen Länder wird die Betonung auf den Molotov-Ribbentropp Pakt gesetzt, obwohl solche Verträge mit Hitler auch europäische Staaten hatten, zum Beispiel Polen. Auch die Münchener Vereinbarung 1938, als England und Frankreich Tschechoslowakei zur Vereinigung Deutschlands faktisch weggeben haben, versucht man sich im Europäischen Parlament nicht zu erinnern. Lettland hat eigentlich ihre Unabhängigkeit aus den Händen der Bolschewiken 1918 bekommen, doch in Straßburg erinnert man sich nur daran, dass es 1940 von sowjetischen Armeen besetzt wurde.

In Europa denkt man fälschlicherweise, dass Postkommunismus und Demokratie eins und dasselbe wären. Heute wollen die baltischen Länder erreichen, dass ihr Territorium illegal durch Sowjetunion okkupiert wurde. Ohne diese Anerkennung wird ihre Politik gegenüber der russischen Minderheit sehr zweifelhaft, denn sie ist nicht mit den Normen der EU vereinbar. Deswegen geht der Prozess "Kononov gegen Lettland" ganz Europa an, und nicht nur ihn selbst, Letten und Russen.
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Junge Welt hat auch einen Artikel zu dem Thema veröffentlicht.

Montag, November 16, 2009

Estland im Herbst

Zum ersten Mal seit 18 Jahren ist die Zahl der Menschen, die Arbeit in Estland verloren haben, über 100 Tausend gesprungen. Dabei wächst die Arbeitslosigkeit im dritten Quartal diesen Jahres unter den Nichtesten 10 Mal schneller als unter Esten. Selbst der recht regierungstreue Nachrichtenportal des estnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens novosti.err.ee hat zwei (eins, zwei) kritische Artikel veröffentlicht, die ich hiermit übersetzen möchte.

Um sich vorstellen, wie gross die Armee der Arbeitslosen in Estland ist, genügt es die Aufnahmen vom Sängerfest Anfang Juli anzuschauen. Damals kamen 50 000 Zuschauer. Arbeitslose sind es in Estland zweimal so viele.

Laut den Daten des Statistischen Amtes wurde Ende September die Zahl der Arbeitslosen mit 102 000 angegeben. Jeden Tag kommen einige Dutzend Leute zum Arbeitsamt. Einige haben vor kurzem Arbeit verloren, andere sind mehr als ein Monat ohne Arbeit. Einige haben die Hoffnung aufgegeben eine neue Arbeit in den nächsten Monaten zu finden.

Die Analysten des Statistischen Amtes widmen sich mit besonderen Aufmerksamkeit denen, die schon aufgegeben haben, eine neue Arbeit zu finden. Unter den Arbeitslosen sind es 11 Tausend oder jeder Zehnte. Laut dem Ökonomen Heido Vitsut ist das eines der größten Probleme für die Wirtschaft des Landes.

"Wenn der hohe Stand der Arbeitslosigkeit eine längere Zeit andauern wird, wird es zu einem grossen sozialen Problem und wird Leute aus der Menge der Arbeitsfähigen rauswerfen. Und wenn irgendwann die wirtschaftliche Lage wiederhergestellt wird, dann werden sie am Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht." - bemerkt Vitsut.

Wenn Anfang diesen Jahres das Tempo der Arbeitslosenzuwachses unter den Esten und Nichtesten ungefähr gleich war, so wurde von Juli bis September unter den Esten nur 0,3% Arbeitslose mehr, während unter den Nichtesten die Arbeitslosigkeit 10-mal schneller gewachsen und gleich um 3% hochgesprungen ist. Jetzt ist unter den Nichtesten jeder fünfte ohne Arbeit.

Im Bericht des Statistischen Amtes gibt es auch eine positive Dynamik. Im dritten Quartal hat sich das Tempo der Absenkung der Beschäftigung verlangsamt. Es könnte auch eine kaum beruhigende Erklärung geben: es könnte wegen saisonalen Arbeiten in den Sommermonaten gewesen sein.

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Die Arbeitslosen bekommen 270 Tage Arbeitslosengeld, danach können sie nur mit 1000 Kronen (ca. 64EUR) Unterstützung rechnen, die aus dem Budget der Kommunen bezahlt werden.

Der Staat hat diese Leute nicht abgeschrieben, doch kann der Staat die Unterstützung unmöglich bezahlen, sagte der estnische Premierminister Andrus Ansip in Vikerradio. "Die Unterstützung wird vom estnischen Staat und Volk bezahlt. Das ist zu was für den gegebenen Moment die Steuerzahler fähig sind" - ergänzte Ansip.

Der Premierminister unterstrich, dass jeder, der ohne Arbeit geblieben ist, an sich arbeiten sollte. "Meine Botschaft an sie ist es sehr intensiv zu arbeiten um eigene Qualifikation zu erhöhen. Ohne Zweifel ist es notwendig viel Mühe zu investieren, um eine Arbeit zu finden" - ergänzte er.

"Wir finden es nicht möglich die gestrichenen Arbeitsplätze mit dem Geld der Steuerzahler zu kompensieren", - sagte Ansip.

Der Premierminister fügte hinzu, dass es Arbeitsplätze erst dann geben wird, wenn der Umfang der Produktion zunehmen wird. "Es ist bekannt, dass wenn man Wirtschaftswachstum beobachten kann, auf dem Arbeitsmarkt der Abschwung weitergeht. Es ist mindestens ein Jahr notwendig, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden" - gab er sich überzeugt.

Laut Ansip ist die Schaffung von sozialen Arbeitsplätzen in Tallinn nichts anderes als Beleidigung für die Arbeitslose. "Nach meiner Bewertung wenn man 93 Leuten Lohn zahlt, die in neonfarbene Vesten steckt und in den Bahnen fahren lässt - ist es Beleidigung für die Leute. Die Bemühungen Tallinns haben die Leute in neonfarbenen Vesten allen sichtbar gemacht", sagte der Premierminister.

Bei dem Gespräch über die vor kurzem stattgefundenen Kommunalwahlen, äusserte sich Ansip dahingehend, dass die Wahlkampagne der Zentristen unehrlich gewesen wäre, da ihr Hauptziel die Verbreitung der Angst unter den Wählern gewesen ist. "Edgar Savisaar sagte mehrmals, dass die Krone direkt nach den Wahlen entwertet wird. Damit haben die Zentristen erreicht, dass andere Parteien ihre absurden Behauptungen widersprechen mussten", erklärte er.

Auch hätte, laut Ansip, Savisaar gelogen, als er sagte, dass die Regierung einen Plan zur Kürzung oder Besteuerung der Renten hätte.

"Als die Zentristen die Wahlen gewonnen haben, wollten sie ihre Macht noch weiter festigen. Mit diesem Ziel ist der Vorschlag um die Vereinigung mit der Volksunion unterbreitet worden", ergänzte er.

Ansip hob heraus, dass da die Zentristen in der Hauptstadt die meisten Sitze in dem Stadtrat bekommen haben, so werden die Sozialdemokraten, die man zu Koalitionsgesprächen eingeladen hat, nur die Rolle des "kleinen Bruders" spielen.

"Wenn ist ein Mitglied der Sozial-Demokratischen Partei wäre, würde ich den Vorschlag der Zentristen über die Schaffung einer Koalition nicht annehmen. Doch natürlich ist die Position der Sozialdemokraten nicht die beste. Wahrscheinlich haben sie eine Strategie,wie man die Situation ändern könne", ergänzte der Premierminister.

"Ich glaube nicht, dass aus dieser Union (Zentristen und Sozialdemokraten) eine neue politische Kultur geboren werden kann, wie es Peter Kreuzberg (Vize-Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei) versprochen hat", ist sich Ansip sicher.

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Mein Kommentar: Geht es noch menschenverachtender?

Samstag, Oktober 24, 2009

Russen und ihre Glaubwürdigkeit nach der Kommunalwahl in Estland

Hier ist ein Bericht von Klaus Dornemann, der an der Kommunalwahl in Estland für Klenskij Liste - Russischer Zentrum teilgenommen hat und 68 Stimmen bekam. Bericht ist komplett unverändert.

Nun ist die mit Spannung erwartete Kommunalwahl in Estland mit einem beschämenden Ergebnis für den russischen Bevölkerungsteil zuende gegangen.
Savisaar, Ansip aber auch Pihl sind die klaren Gewinner. Für die estnischen Wähler war das klar, lieben sie doch populistisches Gehabe. Für die Russen aber ist das Ergebnis höchst beschämend, lamentierten sie doch unaufhörlich und lautstark gegen massive Diskriminierung und sonstige Benachteiligung, gerade und besonders durch die faschistoide Politik wie sie sagen, vornehmlich unter der Führung der drei genannten.
Aber warum nenne ich das so beschämend?

Das ist ganz einfach zu beantworten, denn in großem Maße müssen die „Benachteiligten“ just diejenigen, die sie dieser Tat beschuldigen, gewählt haben. Und das ist auch tatsächlich so gewesen. Nun werden sie sicherlich bezweifeln, daß ich das so behaupten kann, aber ich kann es! Von vielen weiß ich, wie sie gewählt haben, durch Selbstverrat.
Ich war offizieller Wahlbeobachter und habe mich in acht der 17 Tallinner Wahllokalen den ganzen Tag über aufgehalten und konnte eben die erwähnten Beobachtungen überall ähnlich machen.
Eine überwiegende Zahl der Wähler betrat das Wahllokal, holte sich seinen Wahlschein gegen Vorlage der vorgeschriebenen Papiere, von denen auffällig viele graue Pässe waren und diejenigen, die diese Dokumente vorlegten, sprachen seltsamer Weise russisch.
Mit ihren Zetteln in der Hand gingen sie nun zu einem Aushang, wo die Wählbaren Kandidaten mit deren Wahlnummern verzeichnet waren, geordnet nach Parteien oder Gruppen. Wie es nun menschlich ist, fuhren sie ausnahmslos, besonders eindringlich wenn sie mit Partnern da waren, mit ihren Fingern oder einem Stift die Namensliste ab bis zu ihrem Favoriten, manchmal auch weiter, dann aber wieder zurück und gingen dann in die Wahlkabine. Wollen sie mir dabei glauben machen, die hätten absichtlich einen falschen Aspiranten angezeigt, um nichtbemerkte Zuschauer zu täuschen?
Nun hab ich es mir auch nicht nehmen lassen, auch in einem Wahllokal bei der Auszählung der Stimmzettel dabei zu sein. Als dann alle Zettel, schön zu Häuflein nach Wahlnummern sortiert auf den Tischen in einem großen Raum verteilt lagen, konnte ich schon von weitem meine tagsüber gemachten Beobachtungen bestätigt finden.
Und wie sah das aus. Die meisten Stimmen auch innerhalb der Parteien hatten die größten Populisten. Ich nenne jetzt mal absichtlich keine Namen. Und viele in der selben Partei bekamen überhaupt keine eine Stimme. Das war in dem Wahlbezirk etwa die Hälfte.
Nun wohne ich in einer Gegend mit, vornehmlich, Russen zusammen. Alle Beobachtungen zusammengenommen lassen nur den einen Schluß zu, auch die Russen haben in Mehrheit die vier Parteien Keskerakond, Reformirakond, Vaterlands- und Res Publikaunion und Sotsiaaldemokraten gewählt, eben genau jene, denen sie übelst nachreden und sie der Diskriminierung beschuldigen.



All jene aber, die eine besondere Beachtung russischer Belange in ihrem Programm hatten, bekamen widersinnigerweise von denen garkeine Chance, angefangen von den Grünen bis hin zur Tallinner Statdpartei.
Nach dieser Erfahrung sollte man dem Gejammer über Ungerechtigkeiten zukünftig kein Gehör mehr schenken, allenfalls darüber lachen, denn es ist gelogen. Nach dem Wahlergebnis sind sie mit den Politikern und deren Politik voll und ganz zufrieden. Gefährliche Einsätze wie ich sie mir geleistet habe sind also vergebene Liebesmüh und sinnlos, vielleicht sogar einfältig. Verdient haben sie es nicht.

Du bemerkst sicherlich meine Bitternis. Die aber ist ehrlich und erschreckend zugleich, mußte ich mich doch einer großen Erkenntnis beugen.

Mittwoch, Oktober 21, 2009

Blogs gehen, Blogs kommen…

nachdem ich meine Linkliste durchgeschaut habe, musste ich feststellen, dass viele Blogs und Portale auf die ich verweise, inzwischen nicht mehr existieren. Deswegen In perpetuam memoriam:

Nachrichtenseite Kalev - Opfer der Finanzkrise

Knut's Blog - Knut, der inzwischen zu einem guten Freund geworden ist, fing hoffnungsvoll an, verlor relativ schnell die Lust und ist hauptsächlich auf Online-Foren wie www.bbn.ee unterwegs

Эстония в мировых СМИ - der Inhaber diesen Blogs hat innerhalb von 4 Jahren 745 Artikel! aus verschiedenen internationalen Zeitungen ins Russische übersetzt

How Sick is the World Actually von meinem ehmaligen Klassenkameraden Anton hielt 11 Artikel lang, danach hat er Zeit und Lust verloren

Wie man sieht, braucht mal als freiwilliger, unbezahlter Blogger langen Atem, nicht zu viel Engagement, um nicht auszubrennen, und immer wieder neue Ideen für Artikel, die eventuell auch von jemandem gelesen werden. Uns natürlich sehr viel Idealismus gehört auch dazu.

In diesem Sinne begrüße ich Skipppy mit seinem sehr interessanten Blog Von Masuren nach Tallinn. Skipppy macht ein freiwilliges soziales Jahr in Tallinn und hat dort mit Kindern aus armen Familien zu tun. Die vorhandenen Artikel zeigen eine Seite von Estland, die noch niemand beschrieben hat. Deswegen, Skipppy, weiter so.

Dienstag, Oktober 20, 2009

Kommunalwahlen oder Sturmlauf eines Nashorns

Letztes Wochenende fanden in Estland die Kommunalwahlen statt. Die Ergebnisse für die ersten drei Parteien sehen estlandweit wie folgt aus: 31,5% Zentristen, Reformpartei 16,7%, IRL 13,9%. Doch natürlich ist der Hauptgewinn die Mehrheit im Stadtrat von Tallinn. Da sieht es folgendermassen aus: Zentristen 54%, Reformpartei 17%, IRL 15%, Sozialdemokraten 10%. Zum Vergleich noch Ergebnisse aus mehrheitlich russisch-sprachigen Narva: Zentristen 77%, "Neue Narva" 8%, "Petersplatz" 6%, Block von Jüri Mischin 5%. Estnisch-sprachige Tartu sieht folgendermassen aus: Reformisten 31%, IRL 24%, Zentristen 17%, Sozialdemokraten 16%, Volksunion 5%. Es wurden zwei Rekorde aufgestellt, eine sehr hohe Wahlbeteiligung von 60% und Edgar Savisaar, der in Lasnamäe sich aufgestellt hat, bekam 38 978 Stimmen.

Aus diesen Zahlen wird klar, dass der russisch-sprachige Wähler die Wahlen ganz massgeblich beeinflusst hat. Zur Erinnerung, bei den Kommunalwahlen dürfen alle Einwohner des Landes wählen also auch russländische Staatsbürger und Staatenlose. Im Vorfeld der Wahlen wurde von den rechten Parteien versucht, genau diese Befürchtung in Wahlpropaganda umzumünzen, nach dem Motto, die Fremdlinge bestimmen wer der nächste Präsident des Landes werden wird, denn der Sieger bei diesen Wahlen wird als heisser Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr gehandelt. Savisaar hat seine Kandidatur tatsächlich nicht ausgeschlossen, doch dazu später mehr.

Bevor wir uns näher mit den Auswirkungen des Sieges der Zentristen beschäftigen, noch ein paar Worte zu den mono-ethnischen russischen Parteien. In Tallinn sind zwei Blöcke angetreten, das "Russische Linke Bündnis - Unsere Stadt", das in Tallinn 0,2% der Stimmen bekommen hat, doch in Maardu und Kallaste die Mehrheit erhalten bzw. gewinnen konnte und die "Klenski Liste - Russisches Zentrum" unter Führung von Dmitri Klenski, die 1,2% der Stimmen bekommen hat. Für seine Liste hat Klenski in Eiltempo die im Zusammenhang mit den Bronzenen Nächten mehr oder weniger bekannte Leute, wie Maksim Demidov, Larissa Neschadimova, Klaus Dornemann, Mark Syrik und andere zusammengetrommelt, manche Spötter sprachen schon von hitlerschen Volksfront, jeder der imstande ist ein Gewehr zu halten, solle antreten (wurde von besonders ironiebefreiten Leuten nicht verstanden), das Wahlprogramm war sehr gemeinschaftorientiert, wobei ich bezweifle, dass viele Wähler das Wahlprogramm überhaupt zu lesen bekamen. Die Befürchtungen, dass diese Bündnisse wertvolle Prozente der Stimmen den Zentristen abjagen könnten, haben sich überhaupt nicht bewahrheitet, ein russischer Bürgermeister in Tallinn alá Riga ist absolut unvorstellbar.

Doch nun zu den Auswirkungen der Wahlen auf die politische Landschaft Estlands. Mart Laar hat schon im Interview angekündigt, sich mehr um die russisch-sprachige Wählerschaft zu kümmern. Wie er das machen möchte bleibt rätselhaft, den Laar gilt als einer der größten Russland-Feinde und Georgien-Freunde, was bei der russisch-sprachigen Bevölkerung keine Sympatie-Punkte einbringt. Die Zentristen haben dagegen ein strategisches Bündnis mit "Einiges Russland" geschlossen, Savisaar besuchte medienwirksam Moskau und traf sich mit dem Bürgermeister Luzhkov. Doch gleichzeitig ist diese Stärke der Zentrums-Partei ihre größte Schwäche. Wie man an den Ergebnissen in Tartu sieht, fühlen sich viele Esten verpflichtet, alleine deswegen die Reformpartei oder IRL zu wählen, um die Herrschaft der Zentristen zu verhindern, denn diese Partei wird in Zusammenhang mit Russland und russisch-sprachigen Wählern und Politikern gebracht, die angeblich die Macht in der Partei an sich reissen könnten. Kaum eine andere Partei möchte mit Zentristen koalieren. Deswegen bietet die Zentrumspartei trotz möglicher Alleinregierung im Tallinner Stadtrat eine Koalition den Sozialdemokraten an, um im Riikogu bei den nächsten Wahlen eine Koalitionsmöglichkeit zu haben. Die Strategie ist riskant für beide Parteien, denn der Vorsitzende der Sozialdemokraten Jüri Pihl ist bei der russisch-sprachigen Wählerschaft sehr unbeliebt, da er einerseits einer der Hauptverantwortlichen der Polizeibrutalität während der Bronzenen Nächte gewesen war, und andererseits es hartnäckige Gerüchte gibt, dass "Onkel Jüri" während der Sowjetzeit sehr eng mit KGB gearbeitet haben soll (Die Esten scheint dieser Umstand nicht sonderlich zu stören). Andererseits könnten die Sozialdemokraten einen Teil ihrer Wählerschaft verlieren, die nicht will, dass durch sie die Zentristen an die Macht in Estnischen Republik kommen. Doch eine andere Variante ist kaum möglich, eine Wiederholung der Koalition zwischen Reformpartei und Zentristen scheint nicht möglich, da die Vorstellungen über die Wirtschaft und Soziales in Zeit der Krise komplett entgegengesetzt sind. Die Grünen und die Volksunion scheinen zu schwach, um als Koalitionspartner sich anzubieten.

Eine andere Stärke der Zentrumspartei, die gleichzeitig die grosse Schwäche ist, das ist Edgar Savisaar, Verkörperung des Maskottchens der Partei, eines Nashorns, seit bald 20 Jahren der Vorsitzende der Partei, dagegen erscheint selbst Helmut Kohl als frischer Jüngling. Savisaar ist zwar der erfahrenste Politiker Estlands, doch eine Erneuerung der Partei ist dringend nötig. Savisaar ist aber der populärster Politiker und die Seele der Partei. Bei allen Wahlen ist er der Spitzenkandidat, ob es Wahlen in Europäisches Parlament sind, oder in Riikogu, oder jetzt bei den Kommunalwahlen oder demnächst wohl bei den Präsidentschaftswahlen. Einige Wählerschichten, insbesondere Rentner wählen nicht die Zentristen, sie wählen Savisaar. Deswegen sollte Savisaar wirklich Präsident werden, kann er sich nicht mehr für andere Wahlen aufstellen, deswegen ist die Gefahr, dass Zentristen führerlos werden und untergehen. Dasselbe kann passieren, falls er altersbedingt abtritt. Wie nach Ära Kohl in der CDU, wird es grosse Turbulenzen geben und es ist nicht klar, ob die Partei dem gewachsen ist. Es wäre sehr ratsam für ihn, bereits jetzt die Übergabe vorzubereiten, was ich mir aufgrund seines übergrossen Egos (das eigentlich allen estnischen Spitzenkandidaten eigen ist) nicht vorstellen kann.

Wie geht es weiter in Estland? Ich bezweifle stark, dass das Wahlergebnis viel an der Politik von Riikogu ändern wird. Die Minderheitsregierung aus Reformpartei und IRL wird sich von dem Erstarken der Zentristen kaum beeindrucken lassen. Recht wahrscheinlich kommen jetzt nach den Wahlen unangenehme Wahrheiten auf den Tisch, was die estnische Wirtschaft, Staatshaushalt, EURO-Einführung und weitere Sparmassnahmen angeht. Der Ministerpräsident Andrus Ansip hat schon durchblicken lassen, dass er niemals die EURO-Einführung zum Jahr 2011 versprochen hatte, er versprach lediglich alles dafür zu unternehmen, dass der EURO 2011 eingeführt wird, das es nicht geklappt hat, hängt nicht von ihm ab. Nicht, dass dieser Spruch besonders unerwartet kam, er wird lediglich die Sammlung ähnlicher Ansip-Sprüche vervollständigen. Die Sparmassnahmen und der Haushalt 2010 werden wahrscheinlich mit Hilfe von Grünen durchgebracht. Vorgezogene Parlamentswahlen erwarte ich nicht, aus obenerwähnten Gründen, wird Zentrumspartei nicht in der Lage sein, ein Misstrauensvotum durchzubringen, um die Regierung aufzulösen und Neuwahlen zu erzwingen.

Dienstag, September 22, 2009

Kultur . Esten und Russen: Einfache französische Sicht

Übersetzung aus stolitsa.ee

Die Problematik der Beziehung zwischen Esten und in Estland lebenden Russen kann man erst lösen, wenn man die Besonderheit des Prozesses der Formierung des estnischen Volkes und des nationalen Selbstverständnisses begriffen hat. Das ist die Meinung des französischen Historikers Jean-Pierre Minaudier, der letzte Woche eine offen zugängliche Vorlesung im Konferenzsaal des Auswärtigen Amtes Estlands gehalten hat.

"Deutsches Produkt"

Es gab keine Nation. Gar keine. Nur Leute, die auf dem Lande und in den ärmlichen Vorstädten gelebt haben, die sich von der vermögenden Klasse hauptsächlich durch ihre Sprache und ihren sozialen Status unterschieden haben. "Estländer" - also Bewohner Estlands nannten sch öfters örtliche Deutsche, die sich von Preussen, Sachsen und Bayern absetzen wollten. Vorfahren jetziger Esten, die auf der sozialen Treppe aufsteigen konnten, wollten aus allen Kräften umgekehrt sich für Deutsche ausgeben…

Mit solchen Worten beschreibt Professor Minaudier die Sachlage auf dem Territorium des modernen Estlands vor zwei Jahrhunderten. "Man kann nur in dem Fall über eine Nation sprechen, wenn sich das Volk als solche begriffen hat - bemerkt der französische Historiker. Bei den Esten lief das Prozess des "Selbstverständnisses" in einer sehr kurzen historischen Periode ab. Die Epoche der nationalen Erweckung vollzieht sich in wenigen Jahrzehnten des XIX Jahrhunderts. Im Vergleich zu den Völkern des so genannten alten Europas ist diese Zeitdauer praktisch rekordverdächtig.

Zweifellos ist die Selbstfindung der Esten als eine eigene Nation keine einmalige Erscheinung in Europa. Parallel zu ihnen haben ähnliche Prozesse zum Beispiel die Finnen, die Letten, die Slowaken, die Kroaten durchlaufen. "Nationale Erweckungen" vor anderthalb Jahrhunderten sind Nebenwirkungen der Philosophie der nationalen Romantik, die zwischen XVIII-XIX Jahrhunderten in dem in hunderte Kleinfürstentümern zerteilten Deutschland geboren wurde. Das "Deutsche Produkt" wurde plötzlich zwischen Mittelmeer und der Ostsee gebraucht. Als das "ihriges" wurde es von Dutzenden von Völkern vereinnahmt, die in der Regel nicht in ihren nationalen Staaten, sondern unter einer fremden Herrschaft lebten.

Sprachstolz

"Das nationale Selbstbewusstsein der Esten hat sich in "vorstaatlichen" Ära formiert", unterstreicht Minaudier. "Das Bewusstsein als Nation wurde nicht mittels der Politik, sondern mittels der Kultur und der Sprache erreicht. Das ist eins der Unterschiede des Selbstbewusstseins der Esten und der "alten Europäer". Das nationale Selbstbewusstsein der Franzosen, zum Beispiel, basiert auf dem Fundament des Staates. Das ist kein Zufall, denn das Königreich Frankreich wurde mehrere Jahrhunderte vor dem Zeitpunkt erschaffen, als sich die Franzosen als eine Nation begriffen haben. Deswegen ist das wichtigste für einen Franzosen das Leben auf dem Gebiet des Staates, der Besitz des französischen Passes und nicht das Können der Sprache".

Bei den Esten ist es umgekehrt: Ein Mensch, der estnisch spricht, wird als "unser Este" angenommen, unabhängig von seiner ethnischen Herkunft oder Staatsangehörigkeit. Und sogar vom Wohnort. "Für einen Franzosen ist es sehr schwer zu verstehen: ein französisch-sprechender Schweizer oder Belgier oder gar Einwohner des französisch-sprechenden Teils Kanadas kann kein Franzose sein", gibt Minaudier offen zu. "Umgekehrt, der in Frankreich lebender Baske oder Bretagner, der nicht die literarische französische Sprache spricht, wird unabhängig von seinem eigenen Verständnis von der Umgebung als Franzose wahrgenommen."

Die durch die Philosophen-Romantikern ausgerufene Treue zur Altertümlichkeit, hat ihren Eindruck auf das Verhältnis der Esten zu der Muttersprache geprägt und durch sie auf das ganze Modell des nationalen Selbstbewusstseins. "Finno-Ugrische Sprachen sind mit die archaischsten" - erinnert uns Minaudier. In Augen eines Esten gibt das ihr zusätzliche Wertigkeit und gibt einen Grund für Stolz: "Wir konnten etwas sehr Altes aufbewahren, trotz aller Widrigkeiten". Doch die Bewahrung der estnischen Sprache im Laufe der sieben Jahrhunderte fremdländischen Besatzung wurde durch zwei Faktoren ermöglicht: das Fehlen der deutschen Bauernschaft im mittelaltrigen Livonien (Fremdländischen wohnten in den Städten und mischten sich nicht mit der örtlichen Bevölkerung) und das Fehlen einer zielgerichteten Sprachpolitik bei den Mächtigen Livoniens - solchen Sachen schenkte man im Mittelalter überhaupt keine Beachtung.

Die Treue zu Anachronismen

Wie Professor Minaudier glaubt, wurde eines der ernsthaften Schläge für das nationale Selbstbewusstsein der Esten im XX Jahrhundert durch die Sowjetmacht zugefügt. Als Estland durch UdSSR geschluckt wurde, blieb vom erklärten "proletarischen Internationalismus" der zwanzigen Jahre keine Spur übrig. Die proklamierte Gleichheit aller Kulturen und Sprachen war ein Lippenbekenntniss der Regierung der Sowjetunion, tatsächlich hat sie nach dem Krieg das Model des "älteren Bruders - des russischen Volkes" und des "jüngeren Bruders - die Rolle der anderen Völker der UdSSR" angewendet.

"Das bedeutet nicht, dass die Sowjetmacht zielgerichtet das Baltikum russifizieren und Estland in ein "Kleinrussland" verwandeln wollte", unterstreicht Minaudier. Estnische Sprache und estnische Ausbildung waren niemals in der Sowjetunion verboten und die Politik Moskaus gegenüber Tallinn war viel weniger brutal als die Politik von Paris gegenüber Tunesien und Algerien. Doch die offiziell erklärte Zweisprachigkeit hat im realen Leben bedeutet, dass man ohne die Kenntnisse des Estnischen in Estland leben konnte, doch ohne die Kenntnisse des Russischen wurde es immer komplizierter. Der Bevölkerungszufluss, der die estnische Sprache nicht kannte und nicht lernen wollte, wurde von den Esten als ein Angriff auf das Fundament der estnischen Kultur gesehen, als "kulturelles Genozid".

Die Ursache der modernen Widersprüche zwischen Esten und örtlichen Russen entsteht nach Meinung Minaudiers mehrheitlich daraus, dass zwei nationale Ideen aufeinanderstossen - die "kulturelle" und die "staatliche". Um einander zu verstehen, müssen die Träger anerkennen, dass sie beide Recht auf Existenz haben. Obwohl sie in modernen, postmodernistischen Gesellschaft immer mehr und mehr zu einem Anachronismen werden.

Lion, Paris und Tallinn

Wie es aussieht hegt der französische Historiker die meiste Hoffnung auf Zeit. "Die Zeit der größten nationalen Traumas für Franzosen, die Epoche des Zweiten Weltkrieges, wird schon als Geschichte wahrgenommen", führt er aus. "Die Geschehnisse der vierziger Jahre ist das Erbe der Generation meiner Eltern. In Estland erinnert sich die Generation der Kinder an die Sowjetzeiten, sie sind meine Zeitgenossen. Dabei sind die Erinnerungen der Vertreter der beiden Gemeinden öfter diametral gegensätzlich. Das was für die einen eine "normale", "naturgegebene" Situation ist, wird von den anderen als Attentat auf die Existenz der Nation gesehen."

"Die Berührungspunkte zwischen der beiden Gemeinden werden immer mehr", erkennt Minaudier an. Dies kann man zum Beispiel beim Sport gut sehen, wo russisch-stämmige Sportler unter der estnischen Fahne auftreten, wobei sowohl die estnische, aber auch die russische Zuschauer für sie, wie für die "ihre" eintreten. Ich wurde angenehm über die Ergebnisse des Wettbewerbs über das Muster der estnischen Euro-Münzen überrascht: Die Einwohner haben sich für ein Symbol entschieden, das nicht einen nationalen, sondern geografischen Merkmal trägt - die Siluette der Grenzen der Estnischen Republik".

"Man kann sagen, dass das sprachliche Fundament des nationalen Selbstbewusstseins bei den Esten zum territorialem zu wechseln anfängt", stellt der französische Forscher fest. Doch ist dieser Prozess noch ganz am Anfang. Esten und Russen werden noch lange sich nicht zueinander so verhalten, wie die Einwohner von Paris und Lion."

Autor: Josef Kaz

Jean-Pierre Minaudier ist 1961 geboren.
Historiker-Diplom bekam er an der Hochschule Ecole Normale Supérieure.

Erlernte estnische Sprache im Pariser Institut für Ostsprachen. Zur Zeit unterrichtet er die estnische Geschichte und allgemeine Geschichte in Lycée La Bruyère in Versailles

2007 gab er das ausführlichste Werk über die Geschichte Estlands in französische Sprache heraus: Histoire de l'Estonie et de la nation estonienne.

Übersetzte vom estnischen ins französische historische und literarische Texte, darunter den dritten Teil des Werkes von A.H.Tammsaare "Wahrheit und Gerechtigkeit".

Samstag, September 19, 2009

Die Sicherheitspolizei kam zu den Historikern des Clubs "Front-Line"

Übersetzung von baltija.eu-Artikel

Mitarbeiter der Sicherheitspolizei Estlands (KAPO) haben eine Durchsuchung im Office des Militär-Historischen Clubs "Front-Line" in Tallinn durchgeführt. Das hat dem Korrespondenten des Informationsportals der Russischen Gemeinde Estlands (baltija.eu) ein Mitglied des Verwaltungsrates des Clubs, Kandidat in Tallinner Stadtrat Maksim Demidov berichtet.

Laut seinen Worten sind Vertreter der KAPO am 17.September diesen Jahres in das Office der Organisation eingedrungen und fingen ohne irgendwelche Erklärungen an eine Durchsuchung durchzuführen und Objekte zu konfiszieren, die "Front-Line" gehörten und als Exponate im improvisieren Museum ausgestellt wurden.

Nach der Forderung der "Front-Line" Mitglieder einen Durchsuchungsbefehl vorzuzeigen und den Grund des Eindringens zu begründen, hat das einer der Polizisten in Zivil abgelehnt. Ausserdem wurde Demidov, obwohl er zu der Verwaltung des Clubs gehört, in grober Form vorgeschlagen "den Raum zu räumen".

Im Verlauf der Polizeiaktion wurde eine einzigartige Waffenkollektion des Zweiten Weltkrieges konfisziert. Nach Aussage von Demidov hatten alle Objekte, die die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf sich gezogen haben, Zertifikate und Erlaubnis zur Aufbewahrung als Museumsexponate.

Ausserdem wurde ein Computer beschlagnahmt, der zu der Organisation gehörte.

Auf die Frage des Korrespondenten von baltija.eu über die mögliche Gründe der KAPO-Aktion hat der Kandidat in Tallinner Stadtrat nicht ausgeschlossen, dass sie mit der kommenden Teilnahme der Mitglieder des Militär-Historischen Clubs an Veranstaltungen, die dem 65-jährigen Befreiung Tallinns von Faschisten am 22. September zu tun haben könnten.

"Ich kann nicht mit Bestimmtheit die Gründe nennen, die die Sicherheitskräfte gezwungen haben auf unsere unpolitische Organization ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Ich kann nicht ausschliessen, dass die Handlungen der KAPO ein Versuch darzustellen einen Druck auf uns auszuüben, als auf eine Bewegung, die traditionell an allen Veranstaltungen teilnimmt, die mit der Erinnerung an die Helden des Grossen Vaterländischen Krieges zu tun haben. Gerade weil der 22. September ein bemerkenswertes Datum ist - Tag der Befreiung Tallinns von Faschisten und unser Club konnte selbstverständlich dieses Datum nicht ohne Aufmerksamkeit lassen" - sagte Maksim Demidov.

Der Militär-Historische Club "Front Line" wurde 2004 gegründet. Der Club vereinigte Aktivisten, die sich ernsthaft mit der Militärgeschichte auseinandersetzen. Bei der Gründung des Clubs wurde die Idee realisiert Menschen zu vereinen, die ihre Freizeit der Geschichtsforschung über die Armeen der auf der estnischen Teritorium kämpfenden Seiten widmen. Der Club führt regulär "militär-historische Rekonstruktionen" und "taktische Übungen im Gelände" in Estland und nimmt aktiv an ähnlichen Unternehmungen in Lettland, Litauen, Russland, Ukraine, Tschechien und anderswo teil.

Der Club führt ausserdem folgende zusätzliche Arbeit durch:

Suche, Identifizierung und Beerdigung der Überreste der Soldaten, die auf den Schlachtfeldern umgekommen sind, Archivforschungen;

Erkundung, Beschreibung und Pflege der Soldatenfriedhöfe auf Teritorium Estlands.

Treffen mit den Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Videoaufzeichnung der Erinnerungen der Veteranen und Schlachtteilnehmer.

Vorlesungen über Militärgeschichte.

Für aktive Tätigkeit bei der Pflege der Soldatenbegräbnisse wurde der Vorsitzende des Clubs Andrej Lazurin 2008 mit Dankesurkunde des Präsidenten der Russischen Föderation Dmitjij Medvedev ausgezeichnet, 2009 wurde er mit der Gedächtnismedalie Arnold Meries ausgezeichnet. Die Medalie wurde durch die Tallinner Gemeinschaft der Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges der Länder der Anti-Hitler Koalition und dem estnischen antifaschistischen Komitees zu Ehren des ersten estnischen Helden der Sowjetunion Arnold Meri geprägt.

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Die Presseabteilung KAPO teilte mit, dass die Durchsuchung im Office des Clubs "Front Line" im Rahmen einer Untersuchung über illegale Lagerung von Sprengstoff, Waffen, Munition und ihrer Bestandteile (Paragrafen 414 und 418 des Strafgesetzbuches) durchgeführt wurde.

Montag, September 14, 2009

Mein Land ist zerbrochen

Wenn man morgen an meine Tür klopft,
werde ich nicht mehr sein - ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen ehemaligen Hotelwächter,
der in "Viru" arbeitete. Er hiess Jüri. Jetzt ist Jüri Minister,
und alle seine Träume sind nur über eins: Ein Hotel namens Estland,
in dem er zum allmächtigen Besitzer werden könnte.

Wenn man mich morgen verhaften wird,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen ehemaligen Kommunisten aus der Stadt Tartu
namens Andrus. Heutzutage ist er Premierminister.
und träumen tut er nur, wie man Hunde, wie früher, losläßt,
auf alle, die er zu seinen Feinden zählt

Wenn man mir morgen früh Handschellen anlegen wird,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen Journalisten aus der örtlichen Zeitung,
heutzutage ist er Minister. Über Reino. Denjenigen,
der darüber träumt jeden hinter Gitter zu bringen,
der riskiert ein Photo von ihm zu machen.

Wenn man mich morgen verhaftet,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über ehmals ehrlichen Bauern Ivari,
der jetzt für den Premier zum Prügelknaben geworden ist
und nur davon träumt sich den Koffer vollzustopfen,
und nach Brüssel mit der ersten Maschine abzuhauen.

Wenn man mir morgen die Klappe halten befiehlt,
werde ich nicht mehr sein - und ich kann nicht beschreiben,
wie ich vergangenen Abend mir Gedanken gemacht habe
über einen Staatsmann. Entwaffnend ehrlich,
mit dem Namen Mart. Der jetzt unter dem Premier dient,
und nur davon träumt, wie
man Russland Krieg erklärt.

Wenn man mir morgen die Seele rausreißt,
werde ich nicht mehr sein. Und ich kann nicht flüstern,

dass meinem Land schlecht ist,

dass mein Land in Haft ist
und dass seine Arme hinter seinem Rücken zusammengebunden sind.

Ich kann nicht flüstern,
dass mein Land
am Boden eines Polizeiautos ist
halbtod verprügelt
mit trockenem Hals
und will nur verschwinden

Ich kann nicht flüstern,
über die blauen Spuren der Schlagstöcke
auf seiner Brust. Und über die Rippen,
die sie auch gebrochen haben.
Und über zerrissene Knorpel.

Ich kann nicht flüstern,
dass seine Füsse zusammengebunden,
die Knie zerschlagen sind
und Knochen gründlich zertrümert wurden 


Ich kann nicht flüstern,
welche Krämpfe seine Muskeln zerrten,
wie seine Zunge angebissen ist
und wer ihm die Augen auspickte



Ich kann nicht schreiben,
denn meine Arme werden zusammengebunden sein

Ich kann nicht erzählen,
denn man hat mir befohlen zu schweigen

Ich kann nicht flüstern,
denn meine Seele wurde mir rausgerissen
Mein Land ist gebrochen,
seine Seele traf der Schlag


Irja Tähismaa, Bloggerin, Coautorin "Vaba ühiskonna raamatust" (Buch der freien Gesellschaft)

Donnerstag, September 10, 2009

Die seltsame Geschichte der Arctic Sea

Über das Schiff Arctic Sea wurde schon in allen Weltsprachen sehr viel geschrieben, viel klarer ist die Geschichte deswegen nicht geworden. Ich verfolge recht aufmerksam die Geschehnisse, erstens weil sie mit Estland und Russland zu tun haben und zweitens weil ich eine gewisse Schwäche für Seegeschichten habe, und der erste Piratenangriff auf ein Schiff in der Ostsee seit dem 18.Jahrhundert ist ein sehr aussergewöhnliches Ereignis. Ausserdem kann man sehr interessante Beobachtungen über verschiedene politische Gruppen anstellen, wie sie mangels echter Fakten, ihnen ins Raster passende Interpretation der Ereignisse liefern. Ich werde versuchen, kurz die wenigen Anhaltspunkte zu berichten und danach viele Fragen stellen, auf die wir keine Antwort haben und wahrscheinlich nicht so schnell bekommen werden.

Am 08.08 hat die Zeitschrift "Морской Бюллетень Совфрахт" (See Bulletin Sovfracht) mit dem Hauptredakteur Michail Vojtenko berichtet, dass das Schiff Arctic Sea (Tragfähigkeit 4706 Tonnen, gebaut in Türkei 1992, 97.80m Länge), der unter maltesischer Flagge fährt und zwei russische Eigentümer hat, vermisst wird. Das Schiff sollte am 2-3-4(?).August den algerischen Hafen Bedjaia erreichen, ist dort aber nicht angekommen. Das Schiff hatte am 23.Juli Holz (Eigentum der finnisch-schwedischen Firma Enso Oyi, der größte europäische Papierproduzent) im finnischen Hafen Pietarsaari geladen, die finnische Firma Botnia Shipping, die die Beladung durchgeführt hat, sagte aus, dass das Schiff komplett unbeladen war. Davor wurde das Schiff in Kaliningrad repariert. Der Wert der Holzladung beläuft sich auf 1.3 Mio. EUR. Auf dem Schiff war eine 15-köpfige Besatzung, alles Staatsbürger der Russischen Föderation, die jedoch wohl zum ersten Mal in der Ostsee waren, normalerweise waren sie in der Nordsee, oder Schwarzem Meer eingesetzt. Ab jetzt wird vieles unklar.

Wie Daily Telegraph berichtet, wurde am 24.Juli das Schiff von 8-10 bewaffneten Männern geentert. Sie kamen mit einem Gummiboot mit der Aufschrift "police", stellten sich als Drogenfahnder vor und sprachen schlechtes Englisch. Angeblich wurde eine Nachricht darüber von der Besatzung an die Schiffseigentümer geschickt, woraufhin sie Polizei informierten. Ausserdem entstand der Eindruck, dass die Angreifer nachdem sie das Schiff durchsucht und die Teile der Besatzung verletzten, das Schiff verlassen haben. Ebensowenig klar ist, warum Schweden in dessen Territoralgewässern das Schiff sich zu dem Zeitpunkt befunden hat, nicht reagiert hat. Es scheint, dass man nichts Verdächtiges feststellen konnte, die Position des Schiffes wurde korrekt durchgegeben, es gab keine Alarmsignale und die Erkennung des Schiffes (das so genannte AIS-System) wurde nicht ausgeschaltet.
Die Abschaltung erfolgte wohl erst, nachdem das Schiff den Ärmel-Kanal passiert hat, also am 29.Juli.

Am 12.08 haben Verwandte der vermissten Seemänner einen offenen Brief an Ministerpräsident Putin geschrieben in dem sie ihn um Hilfe baten. Am selben Tag gibt Präsident Medwedjew einen Befehl an den Verteidigungsminister Anatolij Serjukov alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um das verschwundene Schiff zu finden. An der Suche nahmen angeblich zwei atomare U-Boote teil, plus die Anti-Uboot-Fregatte Ladnyj.

Am 14. August wurde das Schiff in der Nähe von West-Afrikanischen Inselgruppe Kape Verde von der Küstenwache gesichtet. Am 15. August wurde bekannt, dass bei den Schiffseigentümern Geldforderung in Höhe von 1.5 Mio. EUR eingegangen ist. Falls das Geld nicht bezahlt werde, wird man das Schiff versenken und die Mannschaft töten. Am 17. August wurde das Schiff von Besatzung des Anti-Uboot-Fregatte Ladnyj gestürmt und sie überwältigten die "Piraten", die in ihren Kajüten waren, ohne einen einzelnen Schuss abzugeben. Ein interessanter Fakt ist auch, dass nachdem Ladnyj über Funk um die Identifizierung des Schiffes gebeten hat, kam als Antwort, dass es sich um ein nordkoreanisches Schiff mit einer Ladung Palmenholz handle. Nachdem die Überprüfung ergeben hat, dass das tatsächlich existierende nordkoreanische Schiff in einem angolanischen Hafen liegt, wurde ein Boot zum Schiff geschickt, die Besatzung des Bootes überwältigte dann die "Piraten". Die "Piraten" und 11 Mann der Besatzung wurden mit zwei IL-76 (eines der größten Transportflugzeuge) nach Moskau gebracht und ins Gefängnis Lefortovo verlegt. Vier Besatzungsmitglieder blieben auf dem Schiff, das nach Novorossijsk (russischer Hafen am Schwarzen Meer) bugsiert wird. Angeblich ist das Schiff beschädigt (durch was und wie schwer)? Zur Zeit wird das Schiff von russischen Experten untersucht, bisher haben laut Berichten nichts Verdächtiges gefunden. Nachdem die 11 Mann der Besatzung einige Tage von der Öffentlichkeit isoliert wurden, konnten 8-9(?) von ihnen inzwischen nach Archangelsk zu ihren Familien zurückkehren. Jedoch weigern sie sich Journalisten Interviews zu geben.

Jetzt zu den "Piraten". Inzwischen sind die Namen bekannt. Es sind Evgenij Mironov (31), Dmitrij Savin, Vitalij Lepin, Andrej Lunev (44), Dmitrij Bartenev (41), Aleksej Buleev (30), Igor Borisov (45) und Aleksej Andrjushin (28). Mironov ist estnischer Staatsbürger, Lepin lettischer Staatsbürger, Bartenev und Lunev sind russische Staatsbürger, die in Estland leben, Borisov, Buleev und Savin sind staatenlos, leben aber in Estland, die Staatsbürgerschaft von Andrjushin ist unklar, er lebte wohl auch in Estland oder Lettland. Wie die russische Presse schreibt, gaben sie folgende Version der Geschehnisse zu Protokoll: Sie sind Ökologen und starteten in Pärnu. Als ihnen Benzin ausgegangen ist, sind sie an Bord von Arctic Sea gekommen und fragten den Kapitän, ob er sie an einem europäischen Hafen absetzen könnte. Das hat der Kapitän jedoch verneint und hat sie mit nach Westafrika mitgenommen (Jack Londons Seewolf lässt grüßen). Direkt nachdem die Namen bekannt wurde, hat die KAPO die Wohnungen der Beschuldigten in Lasnamäe durchsucht und wie der Bruder von Dimitrij Bartenev, Aleksej sagte, wurde der Computer und einige persönliche schriftliche Aufzeichnungen mitgenommen. Laut dem Bruder, der auch einige andere der "Piraten" kannte, hatten sie vor am 17. Juli nach Spanien zu fahren, um dort Geld zu verdienen. Wie die estnische Staatsanwaltschaft berichtet hat (grobe Verletzung des Datenschutzes übrigens), waren zwei von ihnen vorbestraft und sassen im Gefängnis, Mironov wegen Totschlags, Bartenev wegen Fahren im betrunkenen Zustand, die anderen hatten Probleme mit Justiz wegen kleineren Vergehen. Verschiedene Zeitungen fanden andere Bekannte der "Piraten", keiner von ihnen konnte sich eine Aktion solchen Massstabes von diesen Leuten vorstellen, soweit ich verstanden habe, hatte keiner von ihnen grosse Seefahrtserfahrung.

Soweit die Fakten. Sie werfen eine Menge Fragen auf, die ich in chronologischen Folge zu stellen versuche:

1. Woher wussten die Piraten, wo das Schiff sich befunden hat? Es war dunkel, die Frachtschiffe sehen sich zum Verwechseln ähnlich aus
2. Warum hat der Kapitän nicht VORHER der Küstenwache bescheid gegeben, dass er Leute an Bord nehmen wird? Laut estnischen Seefahrtexperten ist es eine Standardprozedur.
3. Wie wahrscheinlich ist es, dass die "Piraten" tatsächlich mit einem Gummiboot aus Pärnu sich nach Schweden aufmachen? Russisch-sprachige Männer, die aus Estland in den See stechen, erregen weniger Verdacht, als in Schweden oder Finnland, aber trotzdem ist es ein grosses Risiko. Und wie gesagt, viel Seefahrterfahrung hatten die Leute nicht.
4. Wenn die Piraten bewaffnet waren, hatten sie die Waffen noch, als die Leute von Ladnyj das Schiff stürmten? Oder haben sie die Waffen weggeworfen, damit sie die Ökologen-Story besser erklären können?
5. Woher kamen die Gerüchte auf, dass das Schiff von Piraten verlassen wurde? Warum passierte nichts zwischen 24-29. Juli? Nach einem Piratenangriff hätte das Schiff doch sofort den nächsten Hafen anlaufen müssen, wegen polizeilichen Untersuchung und evtl. ärztlicher Hilfe, denn Teil der Besatzung wurde ja zusammengeschlagen? Wenn das nicht geschehen war, warum hat kein Anrainerstaat reagiert?
6. Wie hat ein Schiff unter fremdem Kommando es geschafft von der Ostsee in die Nordsee und danach durch Ärmelkanal ins Atlantik zu kommen, ohne dass eines der Anrainerstaaten Lunte gerochen hätten?
7. Laut estnischen Experten haben heutige Schiffe mind. 2x-fach abgesicherte Alarmsysteme, deren Abschaltung alles andere als trivial ist. Also müssen die Angreifer gute Elektronik-Kenntnisse gehabt haben, um beide Systeme zu überlisten.
8. Wo war das Schiff zwischen 29.Juli und 14.August? Warum verliess es nicht die Kabo-Verdschen Inseln zwischen 14-17. August? Wurde da irgendwas abgewartet?

Jetzt ein paar Fragen zu Verhalten Russlands

9. Wie erklärt man, dass die Suche nach einem unbedeutendem Schiff sowohl den Ministerpräsidenten, als auch Präsidenten Russlands beschäftigt? Medvedev beauftragt medienwirksam den Verteidigungsminister nach dem Schiff zu suchen, er schickt Atom-U-Boote (die angeblich von der amerikanischen Küste abgezogen wurden) und Fregatten der Schwarzmeerflotte. Ist das nicht etwas Overkill?
10. Ist es nicht Overkill gleich 2 der größten Transportmaschinen nach Kapo Verde zu schicken, um 20-30 Leute abzuholen?
11. Recht primitiv ist dagegen der Trick, den Akt der Piraterie aus den schwedischen Territorialgewässern in internationales Gewässer zu verlagern, damit sich die Schweden nicht möglicherweise einmischen.
12. Ist es vielleicht auch ein Trick, 4 Leute der Besatzung auf Arctic Sea zu lassen? Es sind die Leute, die, falls es Komplizen an Bord gab, noch am ehesten in Frage kommen könnten. Dazu passt es, dass sie wohl nicht frei nach Hause telefonieren dürfen. Ausserdem sind 2 oder 3 Mitglieder der nach Moskau ausgeflogenen Mannschaft nicht nach Archangelsk zu ihren Familien zurückgekehrt.
13. Russland hat zugegeben, dass sie die ganze Zeit über den Verbleib des Schiffs wusste, es war wohl auch eine Zusammenarbeit von 20 Geheimdiensten, die ständig Informationen ausgetauscht haben. Warum wurde nicht früher eingegriffen? Wurde Zermürbungstaktik gewählt? Einfach abgewartet, bis Piraten müde und unachtsam werden? Normalerweise sind die russischen Sondereinsatzkräfte bei der Befreiung von Geiseln nicht sehr zimperlich.
14. Was passierte mit dem Hauptredakteur von See Bulletin Michail Vojtenko? Nach seinen Berichten über Arctic Sea, flüchtete er plötzlich in die Türkei (ein Land ohne Visum-Pflicht für Russen), wo er noch lautstark Interviews gab, dass einflussreiche Leute ihm nahegelegt hätten das Land zu verlassen. Nach ein paar Tagen Istanbul befindet er sich wohl jetzt in Thailand (ein anderes Visum-freies Land), hier versteckt er sich tatsächlich, ich habe noch keine Interviews mit ihm gesehen.

Bei so vielen offenen Fragen, ist es klar, dass alle möglichen Theorien blühen, wobei selbst seriöse Journalisten, die durchaus was zu verlieren haben, wie Julia Ladynina (für die, die sie nicht kennen, sie war die erste russische Journalistin, die die Zahl der Todesopfer in russisch-georgischen Krieg stark bezweifelte und nach unten korrigierte) behauptet, dass auf dem Schiff illegale Waffen geschmuggelt wurden. Die Rede ist manchmal von Flugabwehrraketen für Iran oder Syrien, oder von Flugzeugraketen für biologisch-chemische Massenvernichtungswaffen, bis zu Marschflugkörpern für palästinensische Terroristen aus der russischen Produktion. Alle diese Waffen sollen in Kaliningrad während der Reparaturarbeiten ans Bord gebracht worden sein. Doch die finnische Beladefirma behauptet, dass das Schiff leer gewesen sei. Die Meinungen gehen auch auseinander, ob die russische Regierung davon von vornherein was wusste, oder erst später davon erfuhr und grosse Flugzeuge schickte, um das Zeug wieder mitzunehmen. Angenommen es war wirklich der Fall, das erklärt auch die grossen Anstrengungen Russlands mit den Atom-U-Booten. Doch warum hängen es die Russen dann an die grosse Glocke? Ist so was nicht eher peinlich und soll unter allen Umständen vertuscht werden? Und wie passen die estnischen Amateurpiraten dazu? Und wenn man wirklich Iran mit Waffen versorgen möchte, warum muss es über Algerien, an Israel vorbei nach Iran geschmuggelt werden, wenn das Kaspische Meer doch viel näher ist?

Es könnte irgendwas kleines sein, was man leicht verstecken kann und trotzdem einen grossen Wert hat. Doch braucht man für so was wirklich ein Schiff, per Flugzeug notfalls im Diplomatengepäck sind solche Sachen genauso transportierbar.

Aus obergenannten Gründen kann man Transport von etwas regierungswichtigem ausschliessen. Und die Reaktion Russlands kann man mit purem Populismus und politischen Berechnungen erklären. Schon während des Süd-Ossetischen Konflikts hat Russland erklärt, keinen russischen Staatsbürger im Stich zu lassen. Der Fall Arctic Sea war ideal, diese Strategie nochmals lautstark zu bekräftigen. Sehr passend dazu wurde gestern ein Gesetz in der ersten Lesung verabschiedet, der es den russischen Streitkräften erlauben würde, andere Länder zu betreten, ohne diesem Land Krieg zu erklären, um die in Schwierigkeiten sich befindende russische Staatsbürger zu retten. Arctic Sea war PR für dieses Gesetz.

Die zweite Theorie ist Transport von Drogen oder anderen illegalen Sachen, die aber nicht Interessen von Staaten betreffen. Wiedermal ist es unklar, wie grosse Mengen Drogen aufs Schiff gekommen sein können. Auch stellt sich die Frage, was die Angreifer denn vorhatten? Warum war es notwendig mit dem Schiff nach Afrika zu schwimmen? Wo sind die Drogen jetzt?

Die dritte Theorie, die mit Vorliebe von estnischen Politikern erzählt wird, ist die Vermutung, Russland hat diesen Zwischenfall inszeniert, um die militärische Präsenz in der Ostsee zu erhöhen, auch in Hinblick auf Nordstream-Pipeline Projekt. Das setzt voraus, dass russischer Geheimdienst mit "Piraten" aus Estland zusammengearbeitet hätte, was eine schallende Ohrfeige für KAPO bedeuten würde, wenn sie so was übersehen hätte. Für eine Inszenierung hätte es komplett gereicht, das Schiff pro forma zu besetzen und ein paar Tage in der Ostsee zu driften, um sich dann von der russischen Marine festnehmen zu lassen, die ganze Jagd in Atlantik und vor allen die Durchfahrt dorthin wäre komplett unnötig und viel zu gefährlich gewesen. Ausserdem scheint Russland bisher mit Beschuldigungen jeglicher Art stillzuhalten.

Die vierte Theorie ist Geiselnahme und evtl. Versicherungsbetrug. Wie stolitsa.ee schreibt, ist bekannt, dass die Schiffseigentümer zerstritten sind und die Firma grosse finanzielle Sorgen hat. Deswegen war evtl. der Plan, das Schiff zu kapern, nach Afrika zu schwimmen, es dort zu verkaufen und Teile der Mannschaft das nicht in den Plan eingeweiht ist, zu töten oder Lösegeld für sie zu verlangen. Damit passen einige Puzzle-Stücke. Entweder der Kapitän, oder einer der hochrangigen Offiziere waren in den Plan eingeweiht, sie gaben die Koordinaten für die Piraten durch, die notwendig waren, um das Schiff zu finden und den Rest der Mannschaft zu überwältigen. Vielleicht wussten gar nicht alle Piraten, auf was sie sich da einlassen. Der hochrangige Mitwisser konnte das Schiff in Atlantik rausnavigieren und dann die Ortung ausschalten. Doch womit keiner gerechnet hat, war die Tatsache, dass die Entführung früher bekannt wurde und Russland Arctic Sea zur Demonstration seiner neuen Politik erwählt hat. Viel hat die Besatzung Michail Vojtenko zu verdanken, durch den der Fall Arctic Sea überhaupt bekannt wurde. Doch seine Theorien über Waffen an Bord, passten nicht ins Konzept, also wurde beschlossen, ihn mit psychischen Terror zum Schweigen zu bringen, was auch gelungen ist. Die russische Opposition hat sich blamiert, indem es unbegründete wilde Theorien in die Welt setzte und die russische Flotte hat sich mit Ruhm bedeckt.

Beenden möchte ich diesen Artikel mit einem Zitat aus dem Film Burn After Reading, die Schlussszene:

Kabinett CIA

Chef: Leck mich am Arsch, und was lernen wir daraus Palmer?
Palmer: Ich weiss es nicht Sir
Chef: Scheisse, Ich weiss es auch nicht. Schätze wir sollten das nicht wiederholen
Palmer: Ja, Sir
Chef: Wenn ich nur wüsste was eigentlich
Palmer: Ja, Sir, das ist schwer zu sagen
Chef: Gott, was für ein Riesenscheissdreck

Mittwoch, August 26, 2009

Appeal to the progressive world community

24th of August, 2009, Vilnius, Lithuania

On the signs of revanshisme and fascisme in Lithuania

On 9th of June, 2009 the Parliament of the Republic of Lithuania gave his initial approval, and at the autumn session which starts in September it plans the final approval of the amendments to the Penal Code of Lithuania which will criminalise public approval, negation,belittling or justification of "genocide committed by communism and fascisme". The draft amendments, if approved, will also criminalise the public "blackmail" of so-called "members of Lithuania's freedom fights movement - volunteer fighters, who in the years 1944 - 1953 were fighting with weapons against soviet occupation". The amendments to the article 154 of the Penal Code, submitted by members of the party "Homeland Union - Lithuanian Christian democrats" Paulius Saudargas and Petras Luomanas, foresee a fine, or a limitation of person's freedom, or arrest, or jailing for up to 3 years.

If these amendments come into force, the Parliament of the Republic of Lithuania, which is currently dominated by Homeland Union - Lithuanian Christian democrats, will: a) equally treat communism and fascisme which are incomparable; b) forbid to raise doubts about the reputation and investigate the biographies of members of so-called "Lithuania's freedom fights movement", although a big part of them were nazi collaborators and took part in mass killings of civil population of Lithuania during the WW II thus committing crime against humanity; many of them, having no choice as the war was coming to its end, were trained by the retreating nazi army and special services for the diversion ant terrorist fights, which they perpetrated also during
the post-war years, mainly against the civilians.

Bearing all this in mind, the mentioned amendments should be regarded as signs of revanshisme and fascisme, as a direct assault against freedom of opinion and human rights, to which there should be a categorical negative reaction. One cannot allow the coming into force of the amendments. The political party "Frontas" and Socialist party of Lithuania appeal to all progressive organisations in the world, to all Parliaments and Governments, to human rights organisations, in particular to those that chase and help bringing to justice hiding war criminals and those that committed crimes against humanity, with the request to react to the intentions of the Parliament of the Republic of Lithuania to approve the mentioned amendments to the Penal Code, by using all possible legal pressure and influence so that the regrettable and shameful amendments do not come into force. We suggest and immediate creation of International Commission for investigation of biographies of "members of Lithuania's freedom fights movement", investigating on a case by case basis and without bias, using information available in different countries. Only by going this way shall we stop the resurrection of facsisme and revanchisme.

Presidium of the political party "Frontas" Board of Socialist
party of Lithuania

Contacts: + 370 698 772 42; + 370 686 902 93; algirdas.paleckis@gmail.com

Dienstag, August 25, 2009

Zentrale EU-Sicherheitsdatenbank in Estland?

Laut heise.de bewirbt sich Estland als einziges EU-Land als Standort für die geplante "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen" im Bereich Innere Sicherheit. Neben dem Schengener Informationssystem (SIS, künftig SIS II) mit seinen allgemeinen Fahndungsdaten sind von Anfang an das "Visa-Informationssystem" (VIS) und das EURODAC-Register dabei. In den beiden Datenbanken werden biometrische Merkmale von Einreisenden aus Nicht-Mitgliedsstaaten beziehungsweise Fingerabdrücke von Asylbewerbern und illegalen Einwanderern gespeichert. Später soll der Zentralstelle das Management von weiteren Datenbanken und IT-Großsystemen im Bereich "Freiheit, Sicherheit und Recht" übertragen werden.

Nachdem ich das gelesen habe, musste ich nur durch meine im Laufe der Jahre zusammengekommene Artikel durchgehen und folgende Links raussuchen, wie in Estland mit Daten umgegangen wird und wer alles auf diese höchstsensiblen Daten aus ganz Europa Zugriff haben wird:

Einreiseverbot für Bürger aus Schengen-Staaten
Mundtotmachung von unbequemen Journalisten
Analyse des Jahresberichts der KAPO
Vetternwirtschaft bei den Sicherheitsorganen
Propaganda um jeden Preis
Einschüchterung von politischen Gegnern
Totale Überwachung durch die KAPO

Noch nicht erwähnt sind die zahlreichen Skandale im Zusammenhang mit Zuspielen von geheimen Informationen an die Presse, um den politischen Gegner zu schaden, der laute Spionage-Skandal um Herman Simm der für Russland spionierte und die engsten Verbindungen nach USA, die sich für diese Art von Daten auch brennend interessieren würden.

Ich bin normalerweise nicht pathetisch, doch das ist eine Sache gegen die es sich zu Kämpfen lohnt. Es reicht nicht, dass so eine Datenbank für alle Europäer überhaupt angelegt wird, die eventuelle Entscheidung sie in so einem Land zu installieren in dem das Wort Datenschutz und -nichtweitergabe nur auf dem Papier steht und jetzt schon klar ist, dass die Datensicherheit kaum gewährleistet werden kann, der gröbste Fehler der EU werden kann, den man sich überhaupt vorstellen kann.

Hiermit kündige ich an, mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dagegen vozugehen, dass diese Entscheidung zugunsten Estlands gefällt wird und bitte meine Leser um Unterstützug. Spread the word, schreibt alle politischen und gesellschaftlichen Organisationen an, die ihr kennt, damt diese Entscheidung nicht getroffen wird.

Euer kloty

Dienstag, Juli 28, 2009

Sinimäe, 26.07.09

Vergangenes Wochenende fand die alljährliche Versammlung der Veteranen der Waffen-SS in Sinimäe (Estland) statt. Dieses Jahr wurde das 65. Jubiläum der Kampfhandlungen gegen die Rote Armee bedacht, deswegen kamen mehr Teilnehmer als üblich (die Zahlen schwanken zwischen 400-1500). Neben den estnischen Veteranen, Parlamentsabgeordneten Trivimi Velliste und Mitgliedern der estnischen Armee, nahmen auch Vertreter aus anderen baltischen Ländern, Holland, Norvegen, Dänemark und sogar Georgien teil. Die Organisation hat eine Jugendorganisation "Club der Freunde des Estnischen Legions" übernommen, für Nachwuchs ist also gesorgt. Das Gelände wurde gesperrt, nur eingeladene Personen hatten Eintritt, Journalisten aus Russland werden nicht durchgelassen, die Bewachung übernimmt neben der estnischen Polizei, eine privates Sicherheitsunternehmen.

Die Protestveranstaltung der antifaschistischen Organisationen aus Estland, Lettland und Finnland, bei der sich die Protestierenden als KZ-Häftline verkleidet haben und mit Schildern an die Geschehnisse im KZ Klooga erinnern wollten, wurden von der Polizei daran gehindert. Mehrere Teilnehmer aus Lettland wurden festgenommen und als unerwünschte Personen vom Grenzschutz nach Lettland zurückgebracht.

Gemeinsame Erklärung der baltischen Antifaschisten

Jährlich werden in Estland Versammlungen ehemaliger SS-Mitglieder abgehalten, Kollaborateure, die während des zweiten Weltkrieges auf der Seite der Hitler-Armee gekämpft haben, die der Welt und Europa millionenfache Opfer und Zerstörungen gebracht hat. Kein Land der Welt erlaubt oder begrüßt solche Versammlungen auf seinem Territorium, nur in Estland und Lettland mit dem schweigenden Einverständnis der Regierung und ihrer Gleichgesinnter, mehr noch, mit der Teilnahme der Vertreter der Exekutive sind solche Veranstaltungen erst möglich geworden.

Diese Feier, die nicht nur Veteranen der SS-Kräfte, sondern auch alle Anhänger der nazistischen und neonazistischen Ideologien aus verschiedenen Ländern anziehen, wurden ein Infektionsherd der für die Welt und Menschheit todgefährlichen Ideen.

Die UNO-Generalversammlung hat in ihren Resolutionen mehrfach diese Länder aufgerufen, solche Versammlungen nicht zuzulassen. Doch ignorieren die Regierungen Estlands und Lettlands die Resolutionen dieser mächtigen Organisation. Umgekehrt versucht die estnische Exekutive tüchtig die Aktivitäten der antifaschistischen Organisationen zu verhindern, die gegen die Durchführung von Festivitäten, die die nazistische Vergangenheit feiern, vorgehen.

Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegungen aus Nachbarländern werden a priori als Personen "non grata" erklärt, die den estnischen Staat bedrohen würden und werden aus dem Land abgeschoben. Die Regierung Estlands schafft es in die "schwarze Schengen-Liste" (SIS) Bürger der Schengen-Zone einzutragen, die hier geboren sind und ständigen Wohnsitz haben. Dies ist nicht nur eine Verletzung der Bürgerrechte und Freiheiten, sondern auch des Schengen-Abkommens, das für die Teilnehmer-Länder verpflichtend sind. Die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung Estlands werden ständigen Repressionen und Verfolgungen ausgesetzt.

So wurden auch in diesem Jahr unbegründet, wegen "Personenkontrolle", die Aktivisten der Bürgerbewegung "Notchnoj Dozor" und Mitglieder des finnischen antifaschistischen Komitees festgehalten, obwohl sie legale, über jeden Zweifel erhabene estnische Dokumente vorgezeigt haben, die lettischen Antifaschisten wurden einfach des Landes verwiesen.

In ihren Pressemitteilungen bezeichnen die Leiter des estnischen Innenministeriums die Aktivisten der antifaschistischen Bewegung nicht anders als "Extremisten", obwohl keiner von ihnen weder in ihrem eigenen Land, noch auf dem estnischen Gebiet sich hat was zuschulden kommen lassen, die Organisation "Notchnoj Dozor" wurden von der höchsten Instanz des Estnischen Gerichts komplett freigesprochen.
 
Gleichzeitig erzeugt die estnische Exekutive für die aus ganz Europa auf die SS-Versammlungen angereisten Neonazisten mit allen Kräften ein "Klima der größtmöglichen Unterstützung". Niemals wurde auch nur ein Neonazi, die offen Rassenhass sähen und "die herrliche Nazi-Vergangenheit" propagieren, festgenommen.

Wir finden, dass solche Versammlungen von Nazi-Anhängern in Estland auf Sinimäe, als auch der Marsch der Legionäre im Zentrum von Riga, die Verherrlichung der Nazisten in den Augen der jungen Generation in Estland, eine Gefahr für die Stabilität dieser Länder darstellt und die Werte auf denen eine moderne, tolerante, europäische Gemeinschaft basiert, untergräbt.

Wir erklären, dass die Aktivitäten der estnischen Exekutive gegen unsere Aktivisten ein Verbrechen ist und den menschlichen Grundrechten widerspricht. Die Zusammenstellung der "schwarzen Listen" durch das estnische Innenministerium und die nachfolgende Deportation aus Estland von Personen, die dem regierenden Regime nicht genehm sind, ist ein Erbe des Totalitarismus.

Wir, die Einwohner der Europäischen Union wenden uns an das Europäische Parlament mit der Bitte die Fakten der Heroisierung der Naziverbrecher in Estland und Lettland, die verbrecherischen Versuche der Geschichtsverzerrung und Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Fakt der Deportation der EU-Einwohner aus einem EU-Land für ihre antifaschistische Aktivität, zur Kenntnis zu nehmen.

27 Juli 2009

Mitvorsitzender des Lettischen Antifaschistischen Komitees Josif Koren

Geschäftsführer des Arnold Meri estnischen antifaschistischen Komitees Andrej Zarenkov

Vorsitzender des Antifaschistischen Komitees Finnlands Johan Bekman

Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Maksim Reva

Mitglied des Führungsgremiums der Organisation Notchnoj Dozor Dmitrij Linter