Donnerstag, Oktober 30, 2008

Ein politisches Computerspiel

Und da sagt man noch, dass Computerspieler eher unpolitisch wären: http://www.juhinaguansip.eu/index_rus.php. Mein Highscore ist momentan 240. Wer bietet mehr?

Nach diesem Spielchen kam mir die Idee, dass Andrus Ansip inzwischen zu einem ähnlichen Phänomen geworden ist wie George W. Bush, beide sind mit intellektuellen Mitteln nicht mehr zu fassen. Sie können bei den Pressekonferenzen wirklich alles erzählen, angefangen über die Trauer bei dem Verlust ihres Handies oder Überlegungen über Entführungen durch Ausserirdische oder Märchenstunden über die Wirtschaft und sind doch über jede Kritik erhaben, weil die Kritiker begriffen haben, dass ihre Angriffe absolut sinnlos ist und an den beiden einfach abprallen. Ich bin überzeugt, dass wenn man Ansip die Frage nach seinen Fehlern stellt, wird seine Reaktion genauso sein als man Bush dieselbe Frage gestellt hat.

Mittwoch, Oktober 15, 2008

Drei Fragen, keine Antwort

Im August diesen Jahres fragte der Aktivist des Notchnoj Dozor und einer der Angeklagten des Prozesses um die Organisierung der Unruhen während der Bronzenen Nacht Maksim Reva bei der ukrainischen Botschaft um ein Visum, damit er an einer Konferenz in der Ukraine teilnehmen kann. Die Botschaft hat solange mit der Herausgabe des Visums gezögert, dass die Konferenz vorbei war, bevor das Visum ausgestellt wurde. Auf die Nachfrage eines Deputaten des ukrainischen Parlaments nach dem Grund der Verzögerung, antwortete der Auswärtige Amt, dass es lange gedauert hat, bis die Sicherheitsorgane Estlands eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgegeben haben. Daraufhin schrieb Reva einen Brief an KAPO (estnische Geheimpolizei) mit folgenden drei Fragen:

1. Forderte der Auswärtige Amt der Ukraine Informationen von der KAPO über meine Tätigkeiten an?
2. Reichte die KAPO Informationen über mein zivilrechtliches Engagement und andere Informationen, die meine Person betreffen, an den ukrainisches Auswärtigen Amt weiter und mit welcher Begründung?
3. Stehe ich unter Beobachtung der KAPO, wird mein Telefon abgehört, werden meine Briefe durchgelesen, wird der Netzwerkverkehr meines Computer abgefangen?

Die Antwort, die 31 Tage später eintrudelte, verdient es komplett übersetzt zu werden:

Ausgehend aus der Verordnung über die Bewahrung von Staatsgeheimnissen und geheimen Informationen bzgl. Auslands §7 Teil 1, Punkt 1, die gemeinsame Information, die die Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte in Fragen der Sicherheit mit ausländischen Staat reflektiert, wird als Staatsgeheimnis behandelt auf dem Level vertraulich. Deswegen gibt es bei der KAPO keine Möglichkeit auf die zwei ersten Fragen Ihren Briefes zu antworten. Die Antwort auf Ihre dritte Frage, in welchem Sie zu wünschen wissen, ob die KAPO Sie auf der Grundlage des Gesetzes über Beobachtung oder aufgrund der Ordnung im Strafgesetzbuch verfolgt oder Ihre Grundrechte auf der Grundlage der Ordnung, die im Gesetz über die Sicherheit beschrieben ist, beschränkt, muss etwas länger erläutert werden.

Polizei und Geheimpolizei sammeln Beweise mittels Beobachtung aufgrund eigenen Initiative oder aufgrund der Weisung von Behörden, die eine Untersuchung durchführen. Bei der Verordnung zur Kriminaluntersuchung ist eine Beobachtung erlaubt, falls die Untersuchung sich auf eine Tat erster Ordnung bezieht oder bewusst durchgeführtes Verbrechen zweiter Ordnung, für das als Minimum 3 Jahre Freiheitsentzug vorgesehen sind. Darausfolgend, falls die Person keine der obengenannten Taten verübt hat, haben die rechtsstaatlichen Behörden kein legale Grundlage seine Rechte zu begrenzen. Bei der Verordnung zur Kriminaluntersuchung §121 ist es beschrieben, dass die Behörde, die die Beobachtungsarbeit durchführt als auch die Behörde, die die Untersuchung durchführt und die Beobachtung veranlasste, gezwungen sind die beobachtete Person über die Beobachtung zu informieren, aber auch die Person, deren Privatsphäre und Familienleben durch die Beobachtung verletzt wurde.

Mit der Erlaubnis des Staatsanwalts ist es möglich, über die Beobachtung nicht zu berichten, falls es:

die Rechte und Freiheiten einer zweiten Person verletzen, die durch vom Gesetz garantiert werden;

eine Gefahr der Aufdeckung der Personen darstellt, die an der Beobachtung beteiligt sind;

eine Gefahr für die Person darstellt, die die Beobachtung durchführt, als auch für das Leben, die Gesundheit, die Ehre, die Würde und das Eigentum der Person, die an der Beobachtung beteiligt ist und ihr Nahestehenden.

die Kriminaluntersuchung stört oder ein Verbrechen provoziert.

Auf der Grundlage des Gesetzes über die Sicherheitskräfte, haben die Entscheidung über die Geheimhaltung der Dokumente Kaitsepolitseiametil und Teabeamet. Das Gesetz über die Sicherheitskräfte besagt, dass die Sicherheitsbehörde, verpflichtet ist die Person, deren Grundrecht §25 (Geheimhaltung der Dokumente) oder §26 (Schutz der Wohnung, Familien- und Privatsphäre) verletzt wurde, über die angewandte Massnahmen, und über die Umstände der Begrenzung der Grundrechte unverzüglich, falls es nicht dem Ziel der Begrenzung zuwiderläuft, oder nach der Beendigung dieser Gefahr, zu benachrichtigen.

Arnold Sinisalu
politseidirektor

Sonntag, Oktober 05, 2008

Schatten des Bronzenen Soldaten

Interview mit Dimitrij Linter

am 22 September haben Tausende von Leuten an Veranstaltungen teilgenommen, die dem 64. Jahrestag der Befreiung der Hauptstadt Estlands von den germano-faschistischen Armee gewidmet wurden. Und das, obwohl dieser Fest offiziell verboten war und als Tag des Trauers ausgerufen wurde. Dieser Beschluss wurde am 5. Februar 2007 vom estnischen Parlament verabschiedet, als Vorbereitung zur Wegräumung des örtlichen Hauptsymbols des Sieges über Nazismus - den Bronzenen Soldaten vom Platz Tõnismägi. Über die Lektionen aus diesen Ereignissen sprach "RV" (Rosvesty) mit Dimitrij Linter, einem der Führer der Volksbewegung "Notchnoj Dozor", die sich für den Schutz des Denkmals einsetzte.

- Seit den Aprilen Geschehnissen in Tallinn sind fast ein einhalb Jahre vergangen. Was sind die Handlungen der estnischen Regierung und welche Fragen hätten Sie an die externen Beobachter?

- Das Thema des Bronzenen Soldaten vergiftet bis jetzt nicht nur die estnisch-russländische Beziehungen, sondern wirft nicht wenige Fragen über den Sinn und Zweck der europäischen Politik auf. Die EU hat überhaupt nicht auf die Niederschlagung der zivilisierten Proteste reagiert, die, wenn ich das in Erinnerung rufen darf, einige Monate vor den bekannten Apriler Ereignissen anfingen, die Gewalt und endgültige Spaltung der Gesellschaft nach ethnischem Prinzip in Estland provoziert haben. Von europäischen Strukturen kam auch keine Reaktion auf den Aufbau eines improvisierten Konzentrationslagers im Terminal D im Tallinner Hafen, wo die Polizei auf grausame Weise die festgenommenen Protestler und zufällige Passanten, 2000 in Gesamtzahl, erniedrigte. Wohl aus dem Gefühl der falschverstandenen Solidarität mit den Regierungskreisen Estlands, eines NATO und EU-Mitglieds, weiter als unverbindliche Gespräche über die Unvereinbarung der Niederschlagung der Protestaktionen mit den europäischen Werten gehen die Eurobeamten nicht.

- Womit kann man diese wählerische Unachtsamkeit der Einhaltung der Menschenrechte seitens der kontinentalen "Mentoren der Demokratie" erklären?

- Die estnische politische Elite besitzt eine starke Lobby in Brüssel und Strassburg, die den Image Estlands als den "Tiger der jungen Demokratie" kultiviert und die Augen verschiesst vor ihren "Auswüchsen", die eigentlich Verbrechen sind, deren mittelbarer Unterstützer die EU ist. Aus meiner Sicht haben die russisch-stämmigen Einwohner bei uns dieses Verhalten der EU als Verrat an den Bürgern, die auf dessen Territorium leben, aufgenommen. Das heisst im Land selbst sind solche Bedingungen erschaffen worden, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung seine politischen und zivilgemeinschaftlichen Rechte nicht ausüben kann, wobei jede Bemerkung darüber als ein Angriff auf die Staatssicherheit gewertet wird und die Leute Repressionen ausgesetzt werden. Die Versuche die Situation den europäischen zivil-gemeinschaftlichen Organisationen zu erklären, werden als Unterminierung der Staatsmacht angesehen. Auf diese Weise wird ein Model durchgesetzt, in der die Verbindung zu ausländischen NGOs ungehindert nur über die offiziellen Institutionen und unter ihrer Kontrolle geführt werden kann. Und wo bleibt da die Zivilgesellschaft? Das wird mit einem Ziel gemacht: ja nicht "den Müll aus dem Häuschen kehren" damit niemand die Wahrheit erfährt.

- Warum haben in einer ähnlichen Situation im Herbst letzten Jahres in Tiflis, wo die georgische Staatsmacht Massenproteste der Opposition niedergeschlagen hat, die europäischen Politiker mehr kritische Aufmerksamkeit auf das Verhalten eines anderen "Tigers der jungen Demokratie" in Person des Präsidenten Michail Saakashwilli aufgebracht?

- Darum, weil zum ersten bei der Rezeption der Geschehnisse auf Tõnismägi eine ethnische Komponente eine Rolle gespielt hat, dort waren es hauptsächlich Russen, die für den Erhalt eines Denkmals eines sowjetischen Kriegers demonstrierten, zum zweiten gibt es eine stille Übereinkunft für Mitgliedsländer, die ein für alle Male eine Hauptprüfung auf die Demokratietauglichkeit des Regimes abgelegt haben. Ausserdem hat die antirussische Stimmung der georgischen Opposition die westliche Länder dazu bewegt einige kritische Bemerkungen an die Adresse der Regierung zu machen. Doch bremste sie die Tatsache, dass die Regime von Michail Saakashwilli ein exklusives außenpolitisches Projekt Washingtons darstellt, der aus geopolitischen Überlegungen heraus stark in ihn "investierte".
Die Tatsache, dass das Gedächtnis an die Heldentaten und Gefallenen im Kampf gegen Nazismus ein verbindender Faktor für viele Einwohner Estlands wurde, die bereit sind es zu verteidigen, die Tatsache, dass es auf natürliche Weise eines der wichtigsten Komponenten des Selbstverständnisses des aufwachenden und erstarkten Russlands ist, erschreckt viele in Ländern des "neuen Europas". Unter dem Druck der Regierungskreise, die auf vollwertige Mitgliedschaft dieser Länder in der EU spekulieren, werden stärkerwerdende Versuche unternommen schon auf europäischen Level die Geschichte des zweiten Weltkrieges umzuschreiben, doch tun die Politiker der "alten" Länder müde abwinken und ziehen es vor unaufhörende kleine Rückzüge den National-Radikalen gegenüber zum Thema des gemeinsamen Sieges mit der Sowjetunion über den Nazismus zu machen, im Tausch gegen die "Ruhe" in anderen Fragen. Wer wird hier für die Russen in Estland mit ihren Heiligtümern eintreten!
Was die militärische Aggression des georgischen Präsidenten gegen das südossetische Volk angeht, hier liegt ein Hauptteil der Schuld ausgerechnet auf der EU, die ausgezeichnet über die spezifischen Besonderheiten des Regimes Saakashwillis wusste und die Möglichkeit hatte ernsthaft auf ihn zu wirken. Doch gab es nicht den politischen Willen dazu. Letztendlich hat auch Russland eine ernste Lektion bekommen, wegen der Unfähigkeit die Zusammenschlagung der Angehörigen ihrer Nation im April 2007 in Tallinn zu verhindern, die ihr Recht auf ihre Erinnerung und elementare Achtung ihrer Vorfahren verteidigten. Ich glaube, dass wenn es in russischen Gesellschaft und Führung nicht ein starkes Gefühl gegeben hätte, eine Wiederholung dieser Hilflosigkeit wie während der Krise um den Bronzenen Soldaten keinesfalls zuzulassen, dann gäbe es heute kein freies Süddossetien!

- Nichtsdestotrotz die Taten der Regierung von Andrus Ansip, die die Entscheidung getroffen hat, den Memorial vom Tõnismägi wegzuräumen und dessen Verteidiger zu verfolgen, haben eine Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gezeigt. Begreift jetzt die estnische politische Elite den Preis ihrer Ambitionen?

- Selbstverständlich hat die Kürzung des russländischen Warentransits und faktische Einfrierung von gemeinschaftlichen Grossprojekten zum Vorteil der Nachbarländer Nichtgefallen in bestimmten Kreisen ausgelöst. Heute wird die Kritik an die Adresse der Regierung für "außergewöhnlichen Unfrieden" mit Russland durch die wirtschaftliche Krise angeheizt, die ganz Estland erfasst hat. Doch sollte man wissen, dass die heutige Elite des Landes ihren wirtschaftlichen Wohlstand aus Projekten bezieht, die nicht direkt mit Russland verknüpft sind, doch im Sinne des Elektorats sich sehr sicher in der Rolle des "Verkäufers der Angst" fühlt. Die Zurschaustellung Moskaus als Bedrohung, Spekulationen wegen der "fünften Kolonne" und ihre Hoffnung auf Unterstützung seitens Amerikaner und Europäer erlaubt es ihr die Aufmerksamkeit von einfachen Esten von realen innerestnischen Problemen auf antirussische Mythen zu lenken und keine Aufmerksamkeit der schwachen Kritik seitens der estnischen Geschäftsleute zu schenken, die eine Aussicht auf russländische Investitionen, Transit und Binnenmarkt haben. Doch das Hauptproblem liegt woanders: der Schatten des Bronzenen Soldaten verschlingt Estland komplett und jede nachfolgende Regierung wird mit der Tatsache zu kämpfen haben, dass nicht rechtzeitig eine adäquate Bewertung der Handlungen der politischen und polizeilichen Kräfte bei der Geschichte mit dem Denkmal gegeben wurde, keiner der Sadist in Uniform, die auf den Strassen und im Gefängnis gefoltert haben, strafrechtlich belangt wurde, nicht die Mörder von dem russischen Staatsbürger Dimitrij Ganin gefunden wurden. Und die Russen in Estland werden es nicht vergessen. Deswegen wird eine grundlegende Basis für ein Konflikt übrigbleiben. Und der könnte bei bestimmten Umständen, die nicht immer bestimmt werden können, aus der Kontrolle der Herrschenden geraten.