Mittwoch, November 21, 2007

Wahlkampf in Russland


Dieser Scan wurde mir von einem Freund aus Russland zugesteckt. Sollte das keine Fälschung sein (sicher ist man da nie), zeigt es wieviel von Obrigkeitsdenken in Russland geblieben ist, und dass die Partei Einiges Russland ein würdiger Nachfolger der Kommunistischen Partei geworden ist, vor der alle kuschen müssen. Bis diese Art von Denken aus den Köpfen raus ist, werden noch viele Jahrzehnte vergehen müssen und wer weiss, ob die jungen Generationen von diesem Denken nicht jetzt schon infiziert sind (die Jugendorganisationen alá Naschi zeugen ja davon).



Übersetzung:

An den Direktor der AG Sibirische Kohlenenergie Gesellschaft A.K. Loginov

Ihre Absage der Regionalabteilung der Partei "Einiges Russland" finanzielle Unterstützung für die Durchführung der Wahlkampagne in die Staatsduma der Russischen Föderation zu leisten, bewerte ich als Verweigerung der Unterstützung des Präsidenten W.W. Putin und seines konstruktiven Kurses.

Sehe mich gezwungen die Administration des Präsidenten und des Gouverneurs des Kemerovskaja Oblast darüber zu informieren.

Sekretär des Regionalen
Politischen Rates
der Kemerover Regionalabteilung
der Allrussischen politischen
Partei "Einiges Russland"
G.T. Djudjaev

Sonntag, November 18, 2007

Manchmal freut man sich wenn man Unrecht hatte...

Im letzten Artikel war ich voller Pessimismus über die Voreingenommenheit estnischer Gerichte gegenüber den Aktivisten des Notchnoj Dozor. Zum Glück gibt es seit dem letzten Freitag eine gute Nachricht zu vermelden: Maksim Reva und Dimitrij Linter sind frei! Bei der Gerichtsverhandlung bei der es geklärt wurde, ob es sinnvoll sei die Beschuldigten bis zur Hauptverhandlung festzuhalten, wurde entschieden, dass keine Fluchtgefahr besteht, so dass die beiden nach Hause zu ihren Familien zurückkehren können. Damit wurde das Versprechen eingelöst, das die estnischen Mitglieder des Europaparlaments schon im Juni gegeben haben, dass es keine politischen Gefangenen in Estland gibt.

Doch steht die eigentliche Gerichtsverhandlung im Januar nächsten Jahres noch bevor. Vier Leute werden beschuldigt die Massenunruhen in April organisiert zu haben: Maksim Reva, Dimitrij Linter, Dimitrij Klenskj und Mark Syrik. Sollten sie schuldig gesprochen werden, drohen ihnen jahrelange Gefängnisaufenthalte, ausserdem können sie auf Schadensersatz verklagt werden, der mehrere Millionen Kronen beträgt.

Dienstag, November 13, 2007

Protokol einer Lüge

"Je größer die Lüge und je unwahrscheinlicher die Lüge - desto eher wird sie geglaubt" - Joseph Göbbels

"Man muss eine Lüge nur sooft wiederholen, bis man selber daran glaubt"- Joseph Göbbels

Eigentlich mag ich keine Nazi-Vergleiche, aber in diesem Fall ist mir einfach nichts besseres eingefallen, als ich folgendes Video in einer Nachrichtensendung gesehen habe:



Transkript für nicht russisch-sprachige Leser:

Reporterin: Laut Semjonov ist die Diskriminierung aufgrund Zugehörigkeit zu einer Nationalität eine der dringendsten Probleme in Estland. Und nach den Geschehnissen in April gibt es noch eines: Die Verletzung des Grundrechts auf Anrufung des Gerichtes. So sind zum Beispiel hier (in Informationszentrum für Menschenrechte) ca. 60 Eingaben über die Verletzung der Gesetze seitens der Polizei gesammelt worden, doch werden die meisten von ihnen nicht weiter bearbeitet.

Aleksej Semjonov - Leiter von Informationszentrum für Menschenrechte: Die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben sich geweigert die Beschwerden unserer Klienten aufzunehmen, in der letzten Zeit sehen wir, dass auch die Gerichte sich weigern unsere Eingaben über die Verweigerung der Staatsanwaltschaft und der Polizei unsere Beschwerden adäquat zu bearbeiten, aufzunehmen. Die Rede ist also über eine ernsthafte Verletzung der Menschenrechte, nämlich den Zugang zu Gerichten zu ermöglichen. Früher hatten wir so was nicht, es ist eine recht neue Entwicklung in Estland.

Urve Palo - Minister für Bevölkerungsentwicklung: Es ist mir sehr schwer über die Menschenrechtsverletzungen im Frühling zu urteilen, da keine konkreten Fälle vorgestellt wurden. Dies ist die Sache der Polizei und es wurde kein konkreter Fall vorgestellt. Ich würde nicht sagen, dass im Frühling die Menschenrechte verletzt wurden.

Eine Leserin hat vor kurzem gefragt, wie das Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder des Notchnoj Dozor ausgehen wird. Ich denke, man braucht sich da keine Illusionen zu machen.

Sonntag, November 11, 2007

Eine Umfrage

im Mai 2007 wurde von dem Levada-Zentrum, einem Umfrage-Institut in Russland eine Umfrage durchgeführt in der die Befragten die Russland-freundliche und feindliche Länder benennen mussten. Die Umfrage wird seit 2005 durchgeführt und jedes Mal gibt es teilweise recht grosse Verschiebungen:

Top 9 der feindlichen Länder 2005

1. Lettland (49%)
2. Litauen (42%)
3. Georgien (38%)
4. Estland (32%)
5. USA (25%)
6. Afghanistan (12%)
7. Irak (10%)
8. Iran (6%)
9. Ukraine (5%)

Top 9 der feindlichen Länder 2006

1. Lettland (46%)
2. Georgien (44%)
3. Litauen (42%)
4. USA (37%)
5. Ukraine (27%)
6. Afghanistan (12%)
7. Irak (9%)
8/9. Polen/Iran (jeweils 7%)

Top 10 der feindlichen Länder 2007

1. Estland (60%)
2. Georgien (46%)
3. Lettland (36%)
4. USA (35%)
5. Litauen (32%)
6. Ukraine (23%)
7. Polen (20%)
8. Afghanistan (12%)
9. Irak (8%)
10. Iran (7%)

Top 10 der freundlichen Länder 2006

1. Weissrussland (47%)
2. Kasachstan (33%)
3. Deutschland (22%)
4. China (24%)
5. Indien (15%)
6. Armenien (14%)
7/8. Bulgarien/Ukraine (jeweils 10%)
9. Frankreich (8%)
10. Italien (7%)

Top 10 der freundlichsten Länder 2007

1. Kasachstan (39%)
2. Weissrussland (38%)
3. Deutschland (24%)
4. China (19%)
5. Armenien (15%)
6. Indien (14%)
7. Ukraine (11%)
8/9. Bulgarien/Frankreich (jeweils 9%)
10/11. Italien/Turkmenistan (8%)

Diese Zahlen kann man verschieden interpretieren, hinter jeder Veränderung steckt ein bestimmtes politisches Ereignis (damit erklären sich die 60% für Estland im Mai diesen Jahres), was mich etwas verwundert, warum Großbritannien nicht auf der Liste der feindlichen Ländern steht, nach allen Skandalen mit Berezovski und Litvenenko. Aber veröffentlicht habe ich diese Liste aus einem anderen Grund. Wie man sieht befinden sich auf der Feindesliste 4 EU-Länder, auf der Freundesliste 3 EU-Länder. Wie kann da von einer gemeinsamen EU-Politik Russland gegenüber gesprochen werden? Ein guter Artikel dazu zu dem deutsch-russischen Gipfel in Samara dieses Jahr findet sich hier

Freitag, November 09, 2007

Tallinn-Tbilisi

Eine Meldung macht ihre Runde durch die russische Presse: Der einzige noch funktionierende Fernsehsender Georgiens zeigt einen Dokumentarfilm über die Bronzenen Nächte in Estland mit prügelnden Polizisten, Tränengas, Schlagstöcken. Anschliessend sagen estnische Spezialeinsatzkräfte in die Kameras, dass sie im Einklang mit dem Gesetz handeln. Das soll wohl Parallelen mit den Geschehnissen in Georgien aufzeigen, dass die brutalen Methoden, die gegen die Opposition verwendet wurden, mit europäischen Standards übereinstimmen. Doch selbst die früheren estnischen Freunde gehen auf Distanz zu Saakaschwili, die Parlamentarische Gruppe Estland-Georgien ruft das Land zur nationalen Einheit auf und kann sich nicht verkneifen, Russland aufzufordern sich nicht in innere Angelegenheiten Georgiens einzumischen.

Dabei hatten georgische Eliten enge Beziehungen zu den estnischen, besonders seit Saakaschwili georgischer Präsident ist. Kein Geheimnis ist, das er und der estnische Präsident Toomas Ilves an derselben Uni (Columbia) in USA studiert haben, auch wenn sie sich wegen dem Altersunterschied dort kaum begegnet sein dürften.

Im Jahr 2002, noch zu Zeiten von Schewarnadze, beklagte die Parlamentarische Gruppe, dass es keine estnische Botschaft in Georgien gibt, und lud eine Gruppe georgischer Parlamentarier nach Estland ein. Schewarnadze, ein sehr erfahrener Politiker vorführte mehr oder weniger geschickt einen Drahtseilakt zwischen Russland und USA. Die USA interessierten sich für das Land durch das Ölpipelines vom Kaspischen Meer in die Türkei verlegt werden könnten und zwar unter Umgehung von Russland und Iran und Russland vermutete in Georgien Rückzugsmöglichkeiten der tschetschenischen Kämpfer, ausserdem unterstützt es die Unabhängigkeitsbemühungen von Abchasien und Süd-Ossetien, wo russische "Friedenskräfte" stationiert sind. Georgien träumte schon damals von NATO-Mitgliedschaft und Estland war bereit einen Vermittler zu spielen.

Im Jahr 2004 findet die sogenannte Rosen-Revolution statt, Schewarnadze ist gestürzt und flieht Gerüchten zufolge nach Deutschland (jedenfalls erwartet man ihn dort, denn als Gorbatschows Außenminister hat er die deutsch-deutsche Wiedervereinigung tatkräftig unterstützt und gilt seitdem als guter Freund Deutschlands). Saakaschwili kommt an die Macht und sofort wird von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mart Laar in einem Interview dem Wall Street Journal gegenüber beraten möglichst schnell radikal-liberale Reformen durchzuführen und in die NATO einzutreten. Georgien hört gern die Ratschläge, Mart Laar wird als Berater der georgischen Regierung noch öfters in Tbilisi verweilen. Die Beziehungen zu Russland verschlechtern sich rapide. Russland deklariert georgische Weine, Mineralwasser, Obst und Gemüse als gesundheitsschädlich und schliesst damit den Hauptabsatzmarkt für die georgische Produkte. Zahlreiche georgische Gastarbeiter, die legal oder illegal sich in Russland befinden, werden ausgewiesen. Es häufen sich politische Konflikte, Georgien beschuldigt Russland ihren Luftraum mit Militärflugzeugen zu verletzen und behauptet dass ein Raketenabwurf während eines solchen Überflugs gegeben hat.

Nach dem Eintreten Estlands in NATO und EU verspricht die damalige Außenministerin Kristiina Ojuland, dass Estland Georgien sowohl militärisch als auch politisch bei ihrem Wunsch nach NATO und EU-Mitgliedschaft unterstützen wird. Bei seinem Besuch erwidert Saakaschvili die netten Worte und sagt, dass Estland für Georgien ein Beispiel sei, wie man wirtschaftliche und demokratische Reformen durchführen muss.

Mai 2007: Die Parlamentsvorsitzende Georgiens Nino Burdzhanadze erklärt Estland Unterstützung und protestiert gegen die Einmischung Russlands in innere Angelegenheiten des baltischen Staates und über die Verletzung einer Reihe internationalen Konventionen. Am 8. Mai befindet sich Ilves auf einem Besuch bei Saakaschwili. Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität von Tbilisi sagte er in seiner Rede, dass unsere Länder mehr als die Okkupation und Repression verbindet: Estland und Georgien sind beide demokratische Staaten.

Oktober 2007: Auf einem NATO-Treffen in Reykjavik begrüßte den Vorschlag der estnischen Delegation Georgien einen Beitrittsfahrplan zu übergeben. Der Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo ist auf einem Arbeitsbesuch in Georgien und behauptet, dass für Estland Georgien eines der wichtigsten Partner im Bereich der Verteidigung sei. Mart Laar feiert in seinem Blog Georgien als den besten Ort (nach Estland natürlich) von allen Ländern, um dort Business zu machen.

November 2007: Nach tagelangen schweren Protesten gegen Regierung verhängt Saakaschwili Ausnahmezustand in Georgien und löst gewaltsam Demonstrationen auf. Mehrere hundert Verletzte sind gemeldet, Spiegel-Online spekuliert über aggressiven Gas, der verwendet wurde. Unabhängige Medien dürfen nicht berichten, kritische Fernsehsender werden gestürmt, es läuft ein Dokumentarfilm über die April-Ereignisse in Estland.

Mittwoch, November 07, 2007

Ein Vortrag für die Clubkonferenz der (ehemaligen) Young Leader

Letzte Woche habe ich ein Vortrag über die russisch-estnischen Beziehungen vor gemischtem russisch-deutschen Publikum gehalten. Um zu erklären, was das für Leute waren, die sich für solche Themen interessieren, muss ich ein bisschen ausholen. Es gibt ein Deutsch-Russisches-Forum in Berlin, eine NGO, die einen Austausch zwischen Deutschland und Russland auf allen möglichen Ebenen fördert, angefangen mit Nachwuchsjournalisten aus Russland, die für einige Wochen nach Deutschland kommen, um hier ein Praktikum bei deutschen Zeitungsredaktionen zu absolvieren, bis hin zu Petersburger Dialog, eine Initiative, die noch von Putin und Schröder ausgegangen ist, um Eliten der Länder zusammenzubringen. Der letzte Dialog war vor kurzem in Wiesbaden und man hatte nicht den Eindruck, als ob Putin und Merkel sich viel zu sagen hätten, aber das ist eine andere Geschichte. Eine der Massnahmen, die DRF organisiert, sind die sogenannten Young Leader Seminare, die Unternehmen, die das DRF sponsern, dürfen Young Leader nominieren, also junge, engagierte und vielversprechende Mitarbeiter, die Russisch sprechen, oder aus Russland kommen und diese Young Leader treffen sich dann regelmäßig in Deutschland oder in Russland, lernen aneinander kennen, es entsteht wiedermal ein Netzwerk. Und die Clubkonferenz ist der Ausdruck dieses Netzwerks, denn die ehemaligen Young Leader treffen sich immer noch einmal in Halbjahr in Russland und einmal in Halbjahr in Deutschland, unabhängig von Forum, tauschen sich aus und organisieren Vorträge, die grob was mit Thema Russland zu tun haben sollten. Warum ausgerechnet mir die Ehre zufiel einen Vortrag bei dieser Veranstaltung halten zu dürfen, bleibt mein kleines Geheimnis, aber über die Reaktion auf den Vortrag war ich doch etwas überrascht.

Erwartet habe ich eigentlich, dass sich vor allen die anwesenden Russen aufregen, denn ein Ziel des Vortrages war es zu zeigen, dass beide Seiten in Unrecht sind und die russischen Version der historischen Wahrheit auch nicht unbedingt mehr der Wirklichkeit entspricht, als die estnische. Doch aufgeregt haben sich vor allem die Deutschen, wobei die meisten der Meinung waren, dass es nicht sein kann dass in einem EU-Staat so was geschieht. Geschockt waren die meisten, als ich die Prozentzahlen der Staatenlosen in Estland auf Nachfrage hin genannt habe und die Aufschrift "Alien" auf ihren grauen Pässen. Es scheint wohl eine deutsche Grundüberzeugung zu sein, dass wenn ein Land in der EU ist, dort paradiesische Zustände für alle Minderheiten herrschen müssen (das war meiner Meinung nach die beste Szene in Film "Auf der anderen Seite" von Fatih Akin, als Hanna Schygulla die türkische Anarchistin zu überzeugen versucht, dass sobald Türkei in der EU ist, alle ihre politischen Forderungen erfüllt werden). Einige der Zuhörer haben zwar nicht verstanden, warum die Verlegung eines Denkmals solch heftige Reaktionen ausgelöst hat, kritisiert wurde Russland aber von niemandem. Wobei ich natürlich einwenden muss, dass das Publikum nicht unbedingt repräsentativ war, sondern doch recht russland-affin.

Auf jeden Fall war das eine interessante Erfahrung vor mir unbekannten Leuten einen Vortrag über ein mir nahegehendes Thema zu halten und einen guten Feedback zu erhalten.