Freitag, April 27, 2007

Krawalle in Tallinn

am 26.04.07 geschah in Tallinn genau das, wovor schon Monate vorher gewarnt wurde: Niemand hat sich vorstellen können, dass Pariser oder Budapester Verhältnisse im kleinen gemütlichen Tallinn möglich sind, doch genau das passiert. Der erste Artikel erschien in Indymedia, doch zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht klar, dass die Plünderungen stattfinden werden. Was danach passiert ist, kann man auf diesen Fotos anschauen. Die ganze Nacht über habe ich meine sämtliche Freunde in Estland über icq und Skype erreicht, alle waren vor Ort, die Berichte waren sehr ähnlich: Die Polizei tat nichts, um die Stadt abzusichern, einige haben was abbekommen, entweder eine Portion Tränengas, oder mussten von Gummigeschossen sich in Deckung bringen. Grundtenor war bei allen derselbe: so was hat keiner von ihnen erlebt, alle waren geschockt und haben es als einschneidenden Punkt ihres Lebens beschrieben. Was am meisten aber sie bedrückt hat, war die Gewissheit, dass die Integration ist Estland vorbei ist, zwei Volksgruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Auch wenn man den richtigen Nachnamen, einen blauen Pass und Zertifikat mit der bestandenen Sprachprüfung mit der Tasche hat, es nützt alles nichts, man bleibt Bürger zweiter Klasse und wird daran auch ständig erinnert. Charakteristisch war ein Hilfeschrei auf LiveJournal, eine Frau berichtete, dass ihre estnische Kollegen Sekt getrunken haben, um den "Sieg" zu feiern.

Aber schauen wir doch mal an, was eigentlich schief gelaufen ist, warum geriet die Situation derart ausser Kontrolle?

1. Der Termin für den Beginn der Ausgrabungen konnte nicht falscher sein (vorausgesetzt, dass er nicht absichtlich gewählt wurde, um die russisch-sprachige Bevölkerung noch weiter anzuheizen). 9. Mai steht vor der Tür, einer der höchsten Feiertage für alle, für die der Kampf und der Sieg gegen den Nationalsozialismus ihr wichtigstes historisches Erbe ist. Bei sehr vielen Leuten, die jetzt in Estland leben, waren ihre Eltern, Grosseltern oder andere nähere Verwandte entweder Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges, oder sind gar gefallen. Das Denkmal steht für alle, die in der Roten Armee gekämpft haben. An diesem Tag kommen Tausende Leute zum Denkmal, um ihrer eigener Vergangenheit oder der ihrer Vorfahren zu gedenken. Das für die Esten dieser Denkmal was anderes symbolisiert, soll erstmal ausser vor bleiben. Eigentlich sollten ja in einem demokratischen Land zwei geteilte Meinungen über eine Sache möglich sein. Vor knapp einem Monat wurde am Tag der Vertreibung den Opfern des Stalinismus gedacht. Die Veranstaltung wurde nicht gestört, nur die wenigsten werden leugnen, dass an estnischem Volk während der Stalinzeit tatsächlich Grausamkeiten begangen wurden, wie an anderen Völkern der Sowjetunion übrigens auch. Die Diskussion, ob die Rote Armee an den Vertreibungen beteiligt war und mitschuldig war, ist wahrscheinlich genauso schwer zu beantworten, wie die Frage inwiefern die Wehrmacht in Hitlers Kriegsverbrechen verwickelt war. Aber ich schweife ab. Dass dieser Termin nicht zufällig ausgewählt wurde, ist auch deswegen klar, weil die Ausgrabungen zwei Wochen gehen sollten, also pünktlich zum 9.Mai fertig sein, so dass die Wut der Menschen noch größer werden sollte.

2. Der Hauptgräber estnische Premier-Minister Andrus Ansip liess keine Gelegenheit aus, um die Stimmung aufzuheizen. Im letzten Interview gab er gleich drei Versionen zum Besten, wer denn dort begraben sein könnte: 2 besoffene Soldaten, die vom Panzer überfahren wurden, Patienten aus dem nahegelegenen Klinikum, oder marodierende Soldaten, die von ihrem Vorgesetztem erschossen wurden. Niemals wurden irgendwelche alternative Namen genannt. Für die russische Bevölkerung ist hingegen klar, wer dort beerdigt ist, 13 Soldaten, deren Namen und Rang an einer Tafel eingraviert wurden, die in den 90er Jahren für "Restauration" abmontiert wurde und nie wieder aufgetaucht ist. Es gibt Verwandte, die gerade vor den russischen Gerichten klagen und von estnischen zuständigen Stellen wegen Verfahrensfehlern ignoriert werden. Es gibt Fotos von der Beerdigung. Übrigens war das aufgespannte Ausgrabungszelt reine Show, die Gräber befinden sich viel näher an der Trolleybus-Haltestelle, wurden also gar nicht verdeckt. Beim Schichten der Platten für die Haltestelle wurde damals zufällig ein Sargdeckel entdeckt und ein Knochen, den man wieder eingegraben hat. All diese Mutmassungen haben noch das Öl ins Feuer gegossen.

Jetzt zu den unmittelbaren Geschehnissen
3. Polizeistärke war ganz klar unzureichend. Wenn man anschaut, wie bei den Demonstrationen in Russland, bei denen mit Krawalle zu rechnen ist, auf jeden Demo-Teilnehmer 2-3 Polizisten und Mitglieder des Sondereinsatzkommandos kommen, beim gestrigen Einsatz war das Verhältnis eher umgekehrt. Oder schaut doch mal einen Castor-Einsatz an, oder Polizistenzahlen für die Demos bei der Sicherheitskonferenz in München an. Obendrein war die Polizei schlecht ausgerüstet, nicht motiviert und falsch positioniert. Auf keinem der Fotos habe ich Riot-Shields gesehen, die in anderen Ländern zu unabdingbaren Ausrüstung gehören. Selbst Sturmhelme waren wohl eine Seltenheit. Um die Demogruppen abzudrängen, wurde eine Menschenkette benutzt. Durch die Einnahme der Nationalbibliothek hatten die Demonstranten einen Höhenvorteil, so dass Müllbehälter von oben auf die Polizisten geworfen werden konnten. Bei den Sondereinsatzkräften wurden ältere Frauen als Mitglieder gesichtet, die den Job eher wegen Gehalt machen, und physisch und mental wohl eher weniger dazu geeignet sind. Weiter wurde berichtet, dass die Demonstranten gefordert haben, wenigstens Frauen-Polizisten abzuziehen, bevor es zu Steinschlachten kam. Sämtliche Polizeikräfte haben sich in den Ring, um den Bronzenen Soldaten positioniert, wurden also von den Demoteilnehmern blockiert, während die Randalierer längst woanders ihre Zerstörungsarbeit verrichten konnten. Erst durch den Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen wurden die Demoteilnehmer zu unkontrollierbaren Menge, die sich so was von ihrer Polizei klar nicht erwartet hat. Übrigens wurde auch von Polizisten berichtet, die nach dem Schichtende ihre Uniform auszogen und sich zu den Demonstranten gesellten. So viel zur Motivation.

4. In Deutschland mit ihrer reichen Erfahrung mit Randalen gibt es gut ausgearbeitete Taktiken sowohl von der Seite der Polizei, als auch von der Seite der Demonstranten. Beide Seiten haben ihre Methoden perfektioniert und wissen was sie erwartet. Es gibt sogar Kurse von den alternativen Gruppierungen, wie man sich richtig verhält, was ist rechtlich erlaubt, wann kann man sich wegtragen lassen, wie viel kostet das, wie kettet man sich richtig an die Gleise an, was ist an Vermummung erlaubt usw. Man weiss wie man sich verhalten muss, damit das Risiko kalkulierbar ist. Die Demos werden streng durchorganisiert und von Leuten mit Erfahrung geplant. Wenn diese Taktiken versagen, kommt es zu Szenen, wie an manchen Jahren am 1.Mai in Kreuzberg, wenn unter dem Anheizen von Atari Teenage Riot Steine fliegen oder wie an den Chaostagen in Hannover, als der Polizei nichts anderes übrigbleibt, als in Schildkrötenformation sich zurückzuziehen, während die Punks mit allem möglichen auf sie eindreschen. Aber noch nie in der jüngsten Geschichte wurde eine deutsche Stadt derart dem Mob überlassen wie Tallinn gestern. Bei den Demonstranten fehlten auch jegliche Führung, woher soll sie auch kommen, der einzige Aufruf, der der Mail verbreitet wurde, war, dass man sich um 18.00 Uhr am Denkmal treffen sollte. Durch die methodische Verhinderung von Bildung einer russischen Elite gibt es niemanden, der eine Führung übernehmen könnte, der die gewaltbereiten Teilnehmer mit Hilfe der Demonstranten von der Gruppe separieren könnte und ggfs. der Polizei übergeben. Aktivisten des Notchnoy Dozor werden vom Geheimdienst überwacht und wurden gestern als erste noch am morgen verhaftet. Und selbst sie hätten wahrscheinlich nicht genug Autorität, um das Geschehene zu verhindern. Die Regierung hat mit keinem Vertreter der wenigen russischen Gruppierungen ihr Vorgehen um das Denkmal erörtert.

Soviel zur absoluten Selbstüberschätzung der Regierung, die tatsächlich gedacht hat, dass sie mit der Hilfe von wenigen Kräften und purer Härte die Frage um den Bronzenen Soldaten lösen könnte. Angeblich nicht mal die Stadtverwaltung wurde in die Planung einbezogen. Und deswegen beantworte ich gleich die Frage, ob aus meiner Sicht die Krawalle notwendig und richtig war. Ja, war sie. Die Explosion war nötig, um zu zeigen, dass die Geduld der russisch-sprachigen Minderheit am Ende ist. Akte des zivilen Ungehorsams sind nötig und eine starke Demokratie überlegt sich, was im Staat falsch läuft, dass die Leute auf die Strasse gehen und keine Strafe fürchten, keine Entlassung (auch schon passiert) und evtl. Verlust der Gesundheit und sogar eigenen Lebens (es gab einen Toten). Viele fragen sich, was die marodierenden Banden mit dem Bronzenen Soldaten zu tun haben. Nun, inzwischen wurde festgestellt, dass ein Drittel der Marodeure Esten sind, so dass selbst der estnische Präsident Ilves in seiner Rede gesagt hat, dass Marodieren nicht abhängig von der Nationalität ist. Wäre die Demo überhaupt organisiert, hätten die Ordner die besoffenen Teenager sofort ausgesondert, würde die Polizei keine taktischen Fehler begehen und zu richtigen Zeit an richtigen Stelle sein, der Ausmass an Zerstörung wäre viel geringer. Wobei ich für die Zerstörung des Hauses der Reformpartei und der Nazikneipe eine gewisse Sympathie nicht verleugnen kann und das als Ironie des Schicksals betrachte, dass ausgerechnet diese beiden Gebäude in der Nähe der Ausschreitungen waren.

Wie geht's weiter? Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es zu weiteren Ausschreitungen kommen, entweder schon heute Abend, spätestens aber am 9.Mai. Auf beiden Seiten wird weitere Radikalisierung stattfinden, nicht ausgeschlossen ist es, dass weitere Kräfte aus Ida-Virumaa und evtl. sogar aus Russland und Lettland dazustossen. Es wird schon zu einem Marsch auf Toompea geblasen. Auf der estnischen Seite melden sich schon Nationalisten mit der Forderung um eine Massendeportation. Die abgeschwächte Form präsentieren die Mitglieder der Regierung, die warnen, dass die Marodeure ihre Aufenthaltsberechtigung verlieren könnten. Fraglich ist, wer denn als Marodeur gezählt wird. Nur jemand, der mit Beute festgehalten wurde, oder jemand, der auf zahlreichen Fotos und Videos aufgenommen wurde, weil er dorthin von der Polizei abgedrängt wurde? Verschleiert hat sich ja auch keiner und auf keinem Foto sind die Gesichter der Demonstranten verpixelt dargestellt. Ja, es gibt noch viel zu lernen in Estland, auf beiden Seiten. Und langfristig? Die Verhältnisse mit Russland sind auf dem Tiefstpunkt, wahrscheinlich wird der russische Botschafter abgezogen. Der Transitverkehr wird gesperrt, die Projekte mit russischen finanziellen Beteiligungen mit viel höheren Zinsen verzinst, um das Ausfallrisiko zu minimieren, was zum Rückzug der russischen Investitionen führen wird. Estnische Produkte werden in Russland boykottiert. Evtl. ist sogar ein Gesetz nach dem Vorbild des amerikanischen Burton-Helms Gesetzes denkbar, nach dem keine Firma, die sich in Estland engagiert, in Russland Geschäfte tätigen darf. Damit wird Estland schlagartig für westliche Investoren uninteressant, denn mit 130 Mio Einwohnern ist Russland ein viel interessanterer Geschäftspartner als das 1,3 Mio Einwohner zählendes Estland. Estland wird das auch nicht untätig hinnehmen. Das nächste wahrscheinliche Ziel ist der Abriss der Alexander-Newski Kathedrale auf Toompea. Damit wird Estland nicht nur Russland, sondern der gesamten orthodoxen Welt vor den Kopf stossen. Vielleicht hätte die EU sich nicht um die Nase führen sollen und genauer auf die Nationalitätenprobleme in den Beitrittsstaaten schauen. Die Beziehungen zwischen Russen und Esten kurzfristig zu kitten, dürfte sich als unmöglich erweisen.

Montag, April 23, 2007

Einige Eindrücke aus Frankreich

ich war jetzt zum ersten Mal tief in Frankreich, genauer gesagt in Grenoble, aber selbst in zwei Tagen sind mir ein paar Sachen aufgefallen, die ich der geehrten Leserschaft nicht verweigern möchte. Nur zur Erinnerung, dieses Wochenende kann man durchaus als historisch für Frankreich betrachtet werden.

1. Die Wahlbeteiligung ist zum Beispiel historisch, ca 85% sind zu den Wahlen gegangen, das heisst die Franzosen wissen durchaus, um was es geht. Zum letzten Mal gab es so eine hohe Wahlbeteiligung in den 60ern.

2. Fast alle Wahlplakate in Grenoble sind bemalt, fast alle, ausser die von Segolene. In Frankreich will halt niemand die Schönheit verunstalten. Das ist wohl Kultur.

3. Die Rede von Sarkozy war zum Heulen schön, sogar mit meinen kargen Französisch-Kenntissen habe ich sie verstanden. Falls in Deutschland ein Politiker so eine Rede halten würde, die Ironiker und Satiriker dieses Landes (Harald Schmidt voran) würden ihn in der Luft zerreissen. Pathos ist in Deutschland unerwünscht, in Frankreich (und England) höchst willkommen.

4. Keine Züge ausser den TGVs haben Steckdosen an Bord, also hat auch niemand Laptop aufgeklappt, alle jungen Pärchen knutschen hemmungslos rum, man sitzt da und geniesst den Anblick oder wird neidisch (je nach Stimmung)

5. TGVs haben einen schwerwiegenden Nachteil, sie sind reservierungspflichtig, das heisst, falls sie ausverkauft sind, sind sie ausverkauft und man kommt ganz einfach nicht drauf. Und ausverkauft können sie schon Tage zuvor sein. Und das besonders gemeine ist, dass die Deutsche Bahn keine Informationen über andere Züge bekommt, weil die SCNF alle auf TGV lotsen möchte. So kann eine Reise sich als unmöglich erweisen, falls man nicht früh genug reserviert.

6. In Frankreich muss man an alles selbst denken, auf alles muss man selbst aufpassen, damit kein Blödsinn rauskommt. Meinem Freund wurde seine Hometheater-Anlage im Laden so eingepackt, dass sie komplett verkratzt wurde, als er zu Hause ankam. Er hätte wohl extra sagen müssen, dass man Isolationsstoff um die harten Teile hätte wickeln sollen.

7. So viel Geschmack bei Industrieanlagen haben Franzosen auch nicht. Sehen recht hässlich aus.

8. Stellt Euch folgende Situation vor. Ein Kurort, hunderte Gäste, kein Restaurant, der was anderes anbietet, als Crepes und Eis. Und riesige Hotels, die komplett leer stehen. C'est France. Dafür haben sie Segolene und wir Angela Merkel. C'est France aussie.

9. Ach, französische Mädchen, die kaum Make-Up tragen, sich recht einfach anziehen, aber trotzdem sehr suess aussehen und dazu auch noch französisch (die schönste Sprache der Welt) sprechen und einem Schwätzchen nie abgeneigt sind. Habe ich schon erwähnt, dass Segolene, wie ein Engel aussieht in ihrem weissen Anzug vor dem weissen Hintergrund?

10. wer hat eigentlich erzählt England sei teuer? Nur in Frankreich (und im deutschen Puff) kann man für ein Glas Mineralwasser 3 EUR zahlen und für ein kleines Bier fast fünf.

11. Ein schönes Beispiel von politischer Kunst. In Frankreich wird auch eine Diskussion über die Abgabe von Fingerabdrücken geführt. Also hat der Künstler (den Namen weiss ich leider nicht) dem damaligen Innenminister (also Sarkozy) einen Kuli gegeben, damit er ein Autogramm schreiben kann. Und die Fingerabdrücke von Sarkozy auf dem Kuli wurden zu Stempeln verarbeitet. Hiermit also noch ein Wettbewerb: Wer mir die Fingerabdrücke von Schäuble verschafft, bekommt von mit gleich eine Kiste besten fränkischen Wein.

Freitag, April 13, 2007

Drei Artikel von rus.delfi.ee

Für einige ist rus.delfi.ee eine Hetzseite, die ethnische Unruhen schürft und die Integration verhindert, für die anderen (unter anderem für mich), ist das die einzige Möglichkeit eine Übersicht zu bekommen, was die russisch-sprachige Community in Estland bewegt. Man kann dort Nachrichten, Meinungen und Kommentare über die aktuelle Situation in Estland aus der Sicht der Bevölkerung bekommen. Drei Artikel der vergangenen Tage möchte ich gerne ins Deutsche übersetzen, weil sie recht bezeichnend für die jetzige Situation sind und das gesamte Versagen der estnischen Politik gegenüber der eigenen Bevölkerung und dem grossen Nachbarn Russland offenbaren.

Der erste Artikel wurde in der Zeitung "Vesti Dnja" am 31.03.2007 veröffentlicht.

Lettland liess Estland Ohren vom verendeten Esel

Als vor einigen Monaten der lettische Minister für Kommunikation Ajnar Schlesers verkündete, dass "Kenntnisse der russischen Sprache unser Öl, Gold und Brillanten seien, die man richtig investieren müsse", haben die estnischen Politiker durchaus skeptisch darauf reagiert. Einige von ihnen haben sogar behauptet, dass der russische Transitverkehr nur der Ökologie unseres Landes (Estlands) schade und die estnische Wirtschaft auch ohne ihn überleben könne.

In dieser Zeit hat man in Lettland angefangen eine Basis für russischen Business aufzubauen, das Investitionskapital ins Ausland brachte. "Wir sind nicht nur näher, sondern besser als die Schweiz, weil im Gegensatz zur Schweiz, 90% der lettischen Bevölkerung russisch spricht", bemerkte Schlessers.

Diese Ereignisse wurden zu einer unangenehmen Sensation für unsere (estnische) national-besorgten Politiker. Denn seit geraumer Zeit waren die aussenpolitische Handlungen Estlands und Lettlands miteinander abgestimmt. Wobei im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand und den Grundlagen des Kapitalismus die politischen Interessen über die wirtschaftlichen gestellt wurden.

Die Notbremse wurde in Riga gezogen

Zuerst hat Lettland ihre Position überdacht und fing an neue Kontakte zu dem östlichen Nachbarn zu suchen, gleichzeitig hat Estland den Krieg dem Bronzenen Soldaten erklärt und hat auch so schon schwierige Beziehungen zu Russland zusätzlich verschärft. Im Ergebnis wurde Lettland ein Teil des Transportkorridors "Seidene Strasse" (gemeinsamer russisch-amerikanischer Projekt), durch den chinesische Waren nach Europa geschickt werden.

Wir (Estland) haben nur politische Drohungen und die Aussicht auf eventuelle ökonomische Sanktionen von Seiten der Duma und des Kremls bekommen, als auch den Vermerk, dass eine neue Brücke über den Fluss Narva momentan "keine Priorität" besitzt. Obwohl genau dieser Schritt könnte uns sowohl von den vorhandenen Transportproblemen erlösen, als auch die Beziehungen der beiden Länder verbessern.

Die zweite Nachricht war, dass Lettland vor hat die Kapazität des Grenzverkehrs mit Russland zu verdoppeln. Und obwohl der russische Transitverkehr durch Estland sich in den vergangenen Monaten auch erhöht hat, ist eine mögliche Austrocknung dieser Einnahmequelle eine reale Perspektive.

Geld stinkt nicht nach Gas

Doch der richtige Donnerschlag war die Unterschreibung des lettisch-russischen Vertrages über die Grenzziehung. Zuerst verdarb die Tatsache den estnischen Politikern die Stimmung, dass Lettland auf jegliche Territorialansprüche Russland gegenüber verzichtet, faktisch wurde aus dem Vertrag die Präambel entfernt (die diese Ansprüche bekräftigte, Estland hat eine ähnliche Präambel in den Vertag eingebaut, weswegen das russische Parlament sich weigert den Vertag zu ratifizieren).

Desweiteren kam eine Information, die unsere Elite komplett schockierte. Wie die russischen Massenmedien berichtet haben, verhandelten der lettische und der russische Premier-Minister, dass auf dem lettischen Territorium eine grosse Gasaufbewahrungsanlage für den russischen Gas gebaut werden soll, auf die das gesamte Europa Zugriff haben wird. Dazu wurde erklärt, dass Lettland direkte Verhandlungen mit dem russisch-deutschen Konsortium führen wird, das die Nordeuropäische Gaspipeline baut.

Teile und Herrsche

Auf diese Weise wird Riga, die noch vor kurzem aus rein ökologischen Gründen gegen das Projekt der Nordeuropäischen Gaspipeline eingetreten ist, sich selbst an die durch die Ostsee führenden Pipeline anschliessen und bietet sogar "Gasprom" an, ihre gasleitende Infrastruktur zu benutzen.

Diesen Dolchstoss in den Rücken hat unsere regierende Elite ganz klar nicht erwartet. Premier-Minister Estlands Andrus Ansip sollte jetzt das cäsarische "Auch Du, Brutus!" aussprechen. Doch, wie der unvergessene Talleyrand mal sagte: "Verrat zur rechten Zeit ist kein Verrat, sondern Vorsehung."

Wenn man die Gerüchte hinzufügt , dass der grösste baltische Ölterminal in Ventpils von einer russischen Ölfirma gekauft werden könnte, so besteht die Möglichkeit, dass der Ölfluss durch Lettland bald wieder funktioniert.

Es sieht so aus, dass die "Ohren des toten Esels", die Putin Lettland für die Territorialansprüche angedroht hat, am Ende Estland bekommen wird. Die lettische Führung hat ihren Kurs geändert und beginnt die Früchte zu ernten. Und was für Ernte im Korb unserer Regierung sein wird, werden wir im Herbst ja sehen.

Anmerkung meinerseits: Russland ist momentan der größte Importeur in Estland.

Der nächste Artikel benennt die 10 wichtigsten Ziele, die der Ministerpräsident Ansip sich für seine nächste Regierungszeit gestellt hat.

Ministerpräsident Andrus Ansip hielt heute (04.04.2007) in Rijkogu eine Rede, in der er die wichtigsten Ziele der neuen Regierung herausgestellt hat, als wichtigste nannte er das Erreichen von positiven Bevölkerungszuwachs, so die Eesti Päevaleht ("Die estnische Tageszeitung").

Die Achse der neuen Regierung Estlands ist ein Handlungsplan, um die zehn wichtigsten Ziele für das Land zu erreichen.

Als erstes und wichtigstes Ziel nannte Ansip einen positiven Bevölkerungswachstum.

Zweites Regierungsziel ist das Erreichen von energetischen Unabhängigkeit und Sicherheit.

Drittes Ziel, laut Ansip, ist das Bestehen gegen die globale Konkurrenz der Unternehmensbesteuerung

Viertes Ziel besteht darin, eine gute Ausbildung zugänglich zu machen und die Wirtschaftsstruktur soweit ändern, dass der Schwerpunkt nicht an der arbeitsintensiven sondern an der wissensintensiven Produktion liegen sollte, indem man alle Mittel für die Einführung von Modernisierungen einsetzt.

Laut dem fünften Ziel ist es für Estland überlebenswichtig eine Meinung über sich zu bilden als aktiver Vorreiter und geistiger Führer bei der Vertiefung der Europäischen Union und NATO und Formierung der Einheit der westlichen Welt.

Sechstes Ziel der neuen Regierung ist es die estnische Sprache und Kultur zu bewahren und weiterzuentwickeln

Siebtes Ziel ist es ökologisch sauberes, schönes, wirtschaftliches und innovatives Estland zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Achtes äusserst wichtiges Ziel besteht darin, dass man qualitative und überlebensfähige Gesundheits- und Sozialsicherungssysteme entwickeln sollte, die nicht Bürger vom Staat abhängig machen würde, aber Platz für die Eigenverantwortung der freien Bürger liesse, denn, laut dem Ministerpräsidenten, dies wäre die einzige Möglichkeit mit dem Überalterung und Rückgang der Bevölkerung fertigzuwerden (versteht das jemand, warum das so sein sollte?).

Neuntes Staatsziel ist die Modernisierung des Staates, Mitspracherechte der Bürger und die Erhöhung der inneren Sicherheit.

Das letztes zehntes Ziel Estlands (doch nicht minder wichtige) ist es Estland als liberale Gesellschaft zu bewahren und zu entwickeln.

Gleichzeitig begrenzen sich die Aufgaben der Regierung nicht nur mit dem Obergenanntem, die Regierung hat ein symbolisches Motto. "Das Motto der Regierung ist weiterhin: Wir wollen ein Estland, das zu den reichsten europäischen Ländern sich zählen würde, sich um jeden kümmern würde und glücklich wäre. Natürlich haben wir das noch nicht erreicht. Aber jeder nachfolgende Tag wird ein besserer sein" - sagte Ansip

Nun, viel interessanter, als das was Ansip sagte, ist es was er nicht sagte. Wie es aussieht, ist es kein Ziel mehr für Estland baldmöglichst EURO als Währung einzuführen (wir erinnern uns, es gab mal Zeit, da hat Ansip seine politische Zukunft damit verbunden, falls Estland 2007 nicht zur Eurozone gehört, wird er zurücktreten).

Ebenfalls gehört die Entwicklung von guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu Russland auch nicht zu Top-Prioriäten der estnischen Regierung. Es gab mal einen schönen Kommentar zu diesem Thema, es hiess doch mal, dass die neuen östlichen EU-Mitglieder eine Vermittlerrolle gegenüber Russland einnehmen würden. Jetzt sieht es so aus, als wenn sie selbst einen Vermittler brauchen würden.

Kein Wort steht auch über die Massnahmen gegen den Mangel an Arbeitskräften, die man mit positiven Bevölkerungszuwachs kurzfristig kaum beheben könnte.

Und kein Wort findet sich zur Integration der russisch-sprachigen Bevölkerung. Vielleicht hat man ja eingesehen, dass diese Aufgabe von keiner Regierung zu schultern ist, wie der folgende Artikel beweist.

94.5% der Servicekräfte sprechen kein Estnisch

Von den in diesem Jahr überprüften 164 Verkäufer sprachen ganze 155 kein Estnisch. Die Liste der Läden mit den nicht der Staatssprache Mächtigen führt die Billigkette Maxima an, die auf die Empfehlung der Sprachinspektion hin angefangen hat, ihre Angestellte zu schulen.

Im letzten Jahr aus 875 überprüften Arbeiter des Dienstleistungssektors haben 603, d.h. 69% nicht auf dem erforderlichem Niveau die Sprache beherrscht, dieses Jahr beträgt ihr Anteil schon 94,5%, schreibt Eesti Päevaleht.

Direktor der Spachinspektion Ilmar Tomusk sagte, dass die Inspektion den Wechsel der Schulen auf die estnische Sprache abwarte, weil die heutigen Absolventen in der Schule Estnisch nicht lernen würden. "Diejenigen, die 1986 und 1987 geboren wurden, sprechen überhaupt kein Estnisch!"

Die Nichtesten beherrschen die Staatssprache auch im öffentlichen Sektor nicht, wo die Sprachkenntnisse verpflichtend seien: von den im letzten Jahr überprüften Arbeitern des öffentlichen Dienstes, unter ihnen auch Lehrer, beherrschten auf dem erforderlichen Level 89% die Sprache nicht.

Vielleicht ist angesichts solcher Zahlen 16 Jahre nach der Erlangung der Unabhängigkeit doch ein Umdenken nötig, selbst mit Peitsche der Spachinspektion und drohender Entlassung schaffen es die Leute nicht, die Sprache zu lernen. Und verzichten auf die billige Arbeitskraft der russisch-sprachigen Minderheit kann Estland angesichts solcher Zahlen ebenso wenig. Vielleicht sollte die russisch-sprachige Minderheit mal einen Tag komplett streiken, um zu zeigen, dass ohne sie Estland schnell zusammenbrechen würde. Da würde auch ganz schnell ein elftes Ziel auf die Agenda der Regierung kommen.

Sonntag, April 01, 2007

Die trashigsten youtube-Videos

Wer mich kennt, weiss, dass meine persönliche Trashgrenze sehr tief angesiedelt ist, damit ich mit dem Kopf auf den Tisch knalle, muss schon einiges passieren. Diese Videos haben es allerdings geschafft (Achtung, die meisten sind politisch höchst unkorrekt).

Der Bonker
Die Steigerung
Hände hoch
Dagegen ist DJ Ötzi Beethoven

Deswegen ein Wettbewerb:

Wer es schafft mir ein Link zu einem youtube Video zu schicken, bei dem ich mit Kopf auf den Tisch knalle, bekommt von mir eine Flasche guten fränkischen Wein. Auf geht's.