Donnerstag, Oktober 26, 2006

Dritte Woche England

Zuerst muss ich zwei Sachen richtigstellen, die einige Leser beim Lesen meiner vorherigen Erfahrungen missverstanden haben:

- Wenn ich etwas mit Wiesbaden vergleiche, dann ist es keine Beleidigung, sondern uneingeschränkte Bewunderung. Wiesbaden ist fuer mich die schoenste deutsche Stadt mit den genialsten Villen. Also vorher Dostojewskij's "Der Spieler" lesen und ein paar Tage in Wiesbaden spazieren gehen, sehr empfehlenswert

- An die Fans der Polarmaus. Es ist kein niedliches Tierchen, sondern ein Vieh, das sich nicht nur mein Kaese gefressen hat, sondern offenbar auch meine Krawatte und mein Handy. Lesen kann es offenbar auch nicht, obwohl ich ein Zettel mit der Belohnung auf den Kuehlschrank gehaengt habe, hat sie sich nicht gemeldet. Zum Glueck wohne ich jetzt in einem Appartement mit 2 Badezimmern, 2 Schlafzimmern, einem kuenstlichen Kamin und einer Statue von Alexander dem Grossen im Wohnzimmer. Die Adresse gibt es demnaechst zusammen mit der Telefonnummer in einer anderen Mail.

Meine Erlebnisse in England (dritte Woche):

1. Vor kurzem hat ein BWLer eine ernstgemeinte Frage in heise-Forum gestellt: Warum hasst ihr Techniker uns? Nun heute habe ich eine Antwort gefunden: Weil die Techniker den Leuten das Leben leichter machen wollen und die BWLer schwerer. Jüngstes Beispiel: Ich wollte zu einem Kunden nach Swindon, es ist eine Zugstunde weg von Bracknell mit einem Bummelzug. Zwischen 8.00-9.30 kostet ein Hin- und Rückticket 51 Pfund (ca. 75 EUR). Für das Geld komme ich mit dem ICE von München nach Stuttgart und zurück. Nach 9.30 kostet derselbe Ticket 19.50 Pfund. Wenn man also morgens fahren muss, heisst es friss oder stirb. So was kann sich nur ein BWLer ausgedacht haben.

2. Um im Zug die Tür aufzumachen, muss man das Türfenster öffnen, sich rauslehnen und die Türklinke aussen drücken. Es ist nicht weil die Tür kaputt ist, so ist die Konstruktion. So was habe ich in noch keinem Land der Welt gesehen. Zur Erinnerung, es ist England im Jahr 2006.

3. Merke, casual Friday gilt auch dann, wenn man zum Kunden geht, also kein Anzug, sondern Jeans, sonst fragt jeder zweite, warum man im Anzug rumläuft

4. Ich akzeptiere, dass der Verkehr andersrum faehrt, ich kann mich mit verschiedenen Steckdosen für Elektrogeräte und Telefon anfreunden, meinetwegen kann man mit Pfund, Gallon und Inches rechnen, aber warum haben selbst Glühbirnen andere Fassungen, als der Rest von Europa?

5. Um Russinen in Bracknell zu treffen, geht man in den naechsten Pub und spitzt die Ohren. Ich habe eine als Bedienung am Tresen getroffen, Russin aus Litauen und zwei aus Sevastopol haben sich auf Russisch unterhalten, gaben mir sofort ihre Telefonnummer, obwohl ich gar nicht danach gefragt habe.

6. Geht niemals nach Ascot ausserhalb der Pferderennen-Ereignisse. Ascot ist ein Strassendorf in dem es nicht mal ein Zentrum gibt, in 10 Minuten hat man alles gesehen, was man sehen moechte, in den naechsten 10, was man nicht sehen möchte. Danach setzt man sich in den Zug und fährt zurück nach Bracknell. Was die Pferderennen angeht, bis zum Ende des Jahres gibt es nur Jumps, also Hindernisrennen, das soweit ich weiss in Deutschland verboten ist. Die Pferde verletzen sich zu oft und wenn sich das Pferd das Bein bricht, wird es auf Ort und Stelle erschossen (mit Sichtschutz von den Zuschauern). Ich glaube das will ich nicht sehen. Naechstes Jahr gibt es wieder Flats, da gehe ich dann hin.

7. Der Terrorismus hat gewonnen. Jeder, der einmal durch die Sicherheitskontrollen in Heathrow durchgehen musste, wird diesen Satz sofort bestaetigen. Es dauert 1 1/2 Stunden durch die Kontrollen durchzukommen, im Handgepaeck ist nicht mal Zahnpasta erlaubt, man muss die Schuhe und Oberkleidung ausziehen, nur 1 Handgepaeck mitnehmen (da ich Videokamera und Laptop dabei hatte, musste ich die Laptop-Tasche abgeben und den Laptop die ganze Zeit in der Hand halten). Das Ziel der Terroristen Angst und Schrecken zu verbreiten und dadurch unzumutbare Freiheitsbeschränkungen in den westlichen Ländern einzuführen wurde hier erreicht.

8. Das Web2.0 zu dem auch Bloggen gehoert lebt von der Teilnahme der Leser. Deswegen ein kleines Wettbewerb: Wer als erster einen Kommentar, der ueber dier Sorte "Hallo Anton" rausgeht, verfasst, kriegt von mir eine Packung Shortbreads zugeschickt.