Sonntag, Februar 19, 2006

Polemik über die Kultursteuer

Eine Frage zum Einstieg: Was haben die Flucht aus den Kirchen, die sinkenden CD-Verkäufe, die Ausweitung der GEZ-Gebühren auf Multimediageräte und das langsame Sterben der öffentlichen Bibliotheken, Museen und Theatern gemeinsam? Auf den ersten Blick sind es grundverschiedene Themen, jede davon wird heiss diskutiert, es gibt jede Menge Forschungen über die Ursachen und Patentrezepte zur Behebung der Missstände:

Wäre die Mitgliedschaft in der Kirche kostenlos, gäbe es keine Kirchensteuer, wäre der Prozentsatz der aus der Kirche ausgetretenen sicherlich viel geringer. Der Protest gegen die Kirchenpolitik wird ungleich potenziert, wenn auf dem Lohnzettel schwarz und weiß die Kirchensteuer ausgewiesen wird und es ist mit die einfachste Möglichkeit seine Steuerlast zu senken. Wie es scheint haben die Kirchen kein Rezept gefunden, mit dem die Ausgetretenen aus der Kirche wieder zurückgeholt werden können.

Mit dem Aufkommen der illegalen P2P Netzwerke wie Kazaa oder Napster wurde es unnötig für die Musik, Filme und Bücher zu bezahlen, der Konsument konnte alles quasi kostenlos auf sein Computer laden. Die Musik- und die Filmindustrien reagieren mit Klagen gegen die Nutzer der P2P-Netzwerke, mit Lobbyismus so dass die bestehende Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums verschärft wurden, es wurden Kopiersperren eingeführt und Aufklärungskompanien gestartet. Gleichzeitig wird versucht die Download-Szene zu legalisieren, indem offizielle Download-Möglichkeiten von kopiergeschützten Werken geschaffen werden. Die Kopierschutzmassnahmen sind sehr aufwendig implementiert und können unter Umständen den Computer des Konsumenten beschädigen, siehe die Diskussionen um Kopierschutz von Sony, der Virenautoren ermöglicht hat, ihre Viren vor dem Betriebssystem zu verstecken. Ausserdem ist es doch eine recht paradoxe Situation, dass mit der Digitalisierung zuerst die Möglichkeit geschaffen wurde, geistige Inhalte kostengünstig zu verbreiten, etwas wovon die Menschheit seit der Erfindung der Schrift geträumt hat, und jetzt versucht man diese Möglichkeiten möglichst wieder zu beschneiden.

Durch die Digitalisierung wurde eine Vielzahl an Geräten möglich mit denen man Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks empfangen kann. Gleichzeitig verabschieden sich die Nutzer der "alten" Medien für die die Rundfunkgebühren bezahlt werden mussten, wie Fernsehen und Radio, immer häufiger in Richtung Internet und melden ihren Fernseher ab. In der Angst, dass die Zahl solcher Nutzer in Zukunft exponentiell ansteigt und die öffentlich-rechtlichen Anstalten keine Gebühren mehr bekommen werden, wurden erfolgreich die Gebühren für internetfähige PCs durchgedrückt, mit der fadenscheinigen Begründung, dass die Programme auch im Internet zu empfangen wären, bzw. der Surfer auch das öffentlich-rechtliche Programmangebot im Internet nutzen könnte. Dieselbe Argumente werden auch bei Handy-TV erwähnt, so dass quasi jeder Mediennutzer, solange sie nicht konserviert sind, GEZ-Gebühren bezahlen soll.

Der beklagenswerte Zustand der öffentlichen Kultureinrichtungen und schmerzhafte Einsparungen in diesen Sparten ist das Ergebnis der leeren Kassen der Kommunen und das Unwillen der Bevölkerung höhere Preise zu bezahlen, falls durch die Subventionen die Kosten nicht gedeckt werden können. Teilweise wird versucht auf Mäzenen zurückzugreifen, um größere Projekte zu finanzieren, teils werden die Einrichtungen geschlossen, oder die Preise drastisch erhöht. Es werden nur populäre, flache Kunst gezeigt, bei der das Publikumserfolg garantiert ist, vor schwierigen, unpopulären Themen schreckt man zurück, um keine finanziellen Einbussen zu erleiden.

Jedes der beschriebenen Themen hat was mit der Kunst und Kultur zu tun, unserer Einstellung dazu und unserer Bereitschaft für den Kulturkonsum angemessen zu bezahlen. Mein Vorschlag ist es eine Kultursteuer zu schaffen, die von allen Beschäftigten evtl. ein ermäßigter Satz von Studenten, Rentnern und Arbeitslosen erhebt werden soll, denn auf irgendeine Weise konsumieren wir immer Kultur, sei es indem wir in die Bibliothek, ins Theater, oder in die Kirche gehen, ein Buch lesen, Fernsehen schauen, Musik hören usw. Diese Kultursteuer sollte für folgende Zwecke ausgegeben werden:

- Kirchen
- Unterstützung der öffentlichen kulturellen Einrichtungen
- Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots
- Kulturflatrate für Musik-, Filme und Literatur

Die Vorteile dieser Steuer ist, dass sie recht transparent ist, im Gegensatz etwa zu der Mehrwert- oder der Lohnsteuer, die Empfänger sind klar benannt. Es wäre natürlich auch möglich, dass die Zahler, die partout nicht kirchliche Einrichtungen unterstützen wollen, eine Wahlmöglichkeit haben den Teil, der für die Kirchen bestimmt ist, ganz der Unterstützung von Museen zugute kommen soll, oder auch umgekehrt. Die umstrittenen Einrichtungen wie die GEZ, mit der Armee von Eintreibern wird überflüssig, die Steuer wird genauso wie die jetzige Kirchensteuer eingenommen. Die Kopierschutzmassnahmen der Contentindustrie werden unnötig, ein Computer kann ohne Sperren dazu benutzt werden, wofür es erschaffen wurde, nämlich die ungehinderte Verarbeitung und Vervielfältigung der Informationen. Der Sinn der konsumentenfeindlichen Urheberpauschale stellt sich in Frage. Die Nachfrage nach digitalen Endgeräten und Breitbandzugängen schellt in die Höhe, es müssen keine Befürchtungen aufkommen, dass aufgrund der ausgeklügelten Kopiersperren die unterschiedliche Endgeräte zueinander nicht kompatibel sind. Offene Formate können auch nicht veralten, momentan ist es so, dass falls der Anbieter vom Markt verschwindet, die ganzen gekauften Musikstücke sich womöglich nicht mehr abspielen lassen. Neue Kulturformen werden möglich (wie Internet-Radio oder Fernsehen, zitieren oder remixen von urheberrechtlich geschützten Materialien) oder können größere Verbreitung finden. Die vielzitierte Kriminalisierung der Schulhöfe findet nicht statt, da der Tausch der Inhalte legal ist. Die öffentliche kulturelle Einrichtungen bekommen eine solide Finanzierungsgrundlage.

Eigentlich ist es unverständlich warum die Contentindustrie sich gegen eine Kulturflatrate heftig wehrt, wie man am Beispiel Frankreich gesehen hat, wo ein aktuelles Gesetzentwurf seitens des Parlaments, der praktisch P2P-Netzwerke legalisiert, von der Industrie heftig kritisiert wird. Vielleicht ist die Talsohle noch nicht erreicht, die Hoffnung auf höhere Umsätze, anstatt stabilen Einkommensgrundlage noch nicht erloschen. Ich bin sicher, dass die anderen 3 Institutionen, die ich genannt habe, um eine solche Regelung froh sind, da sie steigende Einnahmen verspricht. Eine grosse Frage ist natürlich, wie der Verteilungsschlüssel zwischen den Empfänger dieser Steuer aussehen wird, wie die Künstler und Autoren angemessen entlohnt werden und wie die Nutzung der Medien festgestellt werden kann. Möglich wären offizielle Tauschbörsen, wo jede getauschte Medieneinheit registriert wird und die Entlohnung nach der Popularität der Medieneinheit sich richtet. Natürlich wird es auch Tausch ausserhalb solcher Börsen geben, aber dies kann man dann hochrechnen. Die entscheidende Frage ist auch, wie hoch nun diese Steuer sein wird. Ich finde das ist eine Frage, die nur im gesellschaftliches Konsens gelöst werden kann. Wieviel ist denn uns unsere Kultur wert und wieviel sind wir bereit dafür zu bezahlen?

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